Fortschritte seit der Taliban-Herrschaft

 

„Als afghanische Frau ist im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan festzuhalten, dass sich jedenfalls keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben haben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat und „außer Frage“ steht, dass gewisse Fortschritte gemacht wurden.“

Unser sprachgewandter Referent vermeidet es geschickt, explizit anzugeben, was genau die Fortschritte sind, die die Situation der Frauen seit der Taliban-Herrschaft so verbessert haben. Denn verglichen mit der Herrschaft der Taliban muss ziemlich jede Änderung in der Situation der Frauen, egal wie klein, als Fortschritt angesehen werden.

Straßen in gutem Zustand

 

Der Antrag eines minderjährigen Aslywerbers aus der Provinz Ghazni wurde abgelehnt, u.a. mit der Begründung, er könne nach Ghazni (! – Ghazni gehört laut der UNO Generalversammlung von 2016 zu den instabilsten Provinzen des Landes) zurückkehren , und erklärt dann ausführlich warum:

„Was die Erreichbarkeit Ihrer Heimatprovinz angeht sei auf die ho. vorliegenden Länderfeststellung verwiesen, nämlich: Der Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015; vgl. AlJazeera 14.10.2015). Der Kandahar-Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni (ISW o.D.) Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von Ghazni (Global Security o.D.) Ein Fahrer der Kabul-Kandahar Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von Kandahar bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pahjwok 18.3.2015)“

Na, dann steht eine Rückkehr nach Ghazni nichts im Wege! Dass die Taliban Reisende aufhält und sie anschließend entführt oder tötet, sodass der einzige sichere Transportmittel das Flugzeug ist, ist wohl ein unwichitgies Detail verglichen mit der physischen Existenz einer Straße, die 2015 noch im guten Zustand war.

Allerdings war laut eigenen Angaben des straßenkundigen Referenten schon 2015 die Straße in Ghazni selbst NICHT in einem guten Zustand. Aber das scheint auch ein unwichtiges Detail zu sein.

 

 

Was

5 Kinder pro afghanische Frau

 

„Die Angaben, dass Ihre Mutter nur zwei Geschwister hätte […] und Ihr verschollener Vater […] ein Einzelkind wäre, ist unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Geburtenrate von mehr als fünf Kindern pro afghanischer Frau, und dies selbst noch im Jahre 2013 (CIA factbook Afghanistan) zumindest auffallend. Es steht daher die Möglichkeit einer bewusst verzerrten Darstellung der sozial/familiären Einbettung zum Zwecke einer erfolgsversprechenderen Asylgewährung deutlich im Raum.“

Dies ist eine Unterstellung. Genauso könnte man argumentieren, dass eine österreischische Familie mit mehr als 1.8 Kindern die sozial/familiäre Einbettung zum Zwecke einer erhöhten Kinderbeihilfe bewusst verzerre. Der/die Referent/in hat außer der reinen Statistik keine Anhaltspunkte dafür, dass der Asylwerber nicht aus einer Kleinfamilie stammt.

Unvoreingenommen…..von wegen!

 
Sie sind als Person unglaubwürdig, weil Sie behaupteten, es wurde Ihnen bei der Erstbefragung gesagt, Ihre Fluchtgründe nur kurz anzugeben.“…..
Allerdings war es zu erwarten, dass Sie genauso verfahren werden, da die meisten afghanischen Asylwerber lügen und behaupten, Sie hätten bei der Erstbefragung nicht angeben können, warum Sie das Land verlassen haben.
Soviel – schwarz auf weiß – zur Unvoreingenommenheit des Referenten!
Bei der polizeilichen Erstbefragung, anhand derer dann beschlossen wird, ob ein Asylverfahren eingeleitet wird, wird gegen Ende die Frage nach dem Fluchtgrund gestellt – mit Verweis darauf, dass die Befragung sich explizit nicht auf die näheren Fluchtgründe beziehen soll! Theoretisch sollten die 6 „W“s beantwortet werden – was aber ich aber noch bei keinem einzigen Protokoll (aus dem Jahr 2015) gefunden habe. Der Zeitdruck und das Wissen um die später folgende genaue Abhandlung im inhaltlichen Verfahren hat die Polizeibeamten und Dolmetscher damals veranlasst den Redefluss der Asylwerber zu stoppen…..

Wie alt sind Sie?

 

„…. Auch die Tatsache, dass Sie bei der polizeilichen Erstbefragung angaben, am 1.1.1992 geboren worden zu seien, und nicht das Geburtsdatum, welches auf Ihrem Reisepass festgehalten ist, angegeben haben, bringt deutlich zum Ausdruck, dass Sie der Behörde etwas verheimlichen wollen, andernfalls hätten Sie …. dieses Geburtsdatum angegeben.“

Bei der Erstbefragung wurde der Asylwerber lediglich gefragt, wie alt er sei und daraufhin wurde der 1.1.1992 als Geburtsdatum eingetragen. Das ist  gängiger Usus bei Afghanen, allerdings in diesem Fall wohl klar ein Ermittlungsfehler der Behörden und keinesfalls dem Asylwerber anzukreiden.

Oder hätte er diese Frage in Jahren, Tagen, Stunden, Minuten usw. beantworten sollen?

 

Alltag

 

Beschreiben Sie mir Ihren Alltag zuletzt im Heimatland?“

Diese Frage wurde dem Asylwerber gleich nach den Schilderungen der Misshandlungen und Drohungen der Taliban gestellt. Der Asylwerber hat  den Ablauf eines typischen Tags beschrieben.

In der Beweiswürdigung liest man dann:

„Bemerkenswert ist, dass Sie von diesem behaupteten Erlebnis mit Mitgliedern der Taliban nichts an Ihrem Verhalten im Alltagsleben verändert haben und auch Ihre Schilderung Ihres Alltags zuletzt im Heimatdorf auch nur ansatzweise eine persönliche Bedrohung- oder Gefährdungslage Ihrer Person erkennen lässt.“

Und weiter

„Bezüglich Ihres Alltags korrigierten Sie sich noch einige Sätze später und führten dann völlig abweichend aus, dass Sie sich die letzten vier Tage  vor Ihrer Ausreise nur mehr im Haus versteckt hielten und dann mit Ihren Angehörigen ausgereist waren.“

Der Referent verlangt also vom Asylwerber, dass er seinen „Alltag“ – und nicht den Ausnahmezustand der letzten Tage vor seiner Flucht – schildert, wirft ihm dann der Unglabwürdigkeit vor, weil er eben den Alltag und nichtdie Ereignisse mit den Taliban beschriebt. Als der Asylwerber dann erklärt, dass seine letzen Tage in Afghanistan aufgrund der Bedrohung völlig anders als der Alltag abliefern, wirft ihm der Referent vor, seine Aussage sei vom Thema „völlig abweichend“, was natürlich die behauptete Unglaubwürdigkeit weiter erhöht.

Aktualität der Quellen

 

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Das was die Länderinformation des BFA feststellt gilt dann halt immer. Auch wenn die EU, das EU-Paralament, die UN General Assembly, amnesty international, Rotes Kreuz  und viele andere anderer Meinung sind und auf die sich ändernde Situation Rücksicht nehmen.

Autofahrende Mütter in Afghanistan!

 

Unglaubwürdigkeiten zu finden bzw. – viel öfter – zu konstruieren ist oft die einzige Möglichkeit für die unter Druck stehenden Beamten des BFA der Order Afghanen negativ zu bescheiden nachkommen zu können. Das ist aber keine leichte Aufgabe, wenn trotz geschickter Verhörtechnik dem Asylwerber keine „Fehler“ passieren….Die Feststellungen dazu sind daher immer mehr an den Haaren herbeigezogen oder werden krampfhaft konstruiert…..

„Völlig vage erzählten Sie, das man nur Sie aus dem Auto geholt hätte. Ist Ihre Mutter dann weitergefahren? In Afghanistan eher nicht vorstellbar, dass Frauen auf dem Land Auto fahren. „

In der Einvernahme erzählte der Asylwerber, dass er für die Mutter Medikamente holen musste und deshalb mit dem Auto unterwegs war. Völlig unverständlich, warum der Beamte die Mutter ins Auto setzt, die natürlich nicht dabei war bei der gefährlichen Fahrt.

Aber es geht ja nicht um die Glaubwürdigkeit des Beamten…..

Alles relativ

 

Aus einem negativen Bescheid:

„Bei Unterbringung in einen Kabuler Flüchtlingslager droht grundsätzlich keine Extremgefahr i.S.d. § 60 VII 1 und 2 AufenthG . 
In diesen Unterkünften sind die Lebensverhältnisse zwar erbärmlich und Kinder und ältere Menschen besonders gefährdet.

Doch die Opferzahlen in den Lagern sind in Relation zur Gesamtzahl der dort Lebenden nicht so hoch, dass für alle Bewohner die Gefahr besteht, sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert zu sein.
Selbst in den am stärksten gefährdeten Altersgruppen überleben bei weitem die Meisten.“