Bäume aufstellen

 

„Bei Ihrer Flucht hätten die Taliban aus Sie geschossen. Dort wäre aber ein Baum gewesen und deswegen wurden Sie nicht getroffen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wegen einem Baum Sie nicht getroffen werden konnten. “

Unglaubwürdig, oder?

Der Entführungs-Experte

 

Von seinem Schreibtisch in Österreich aus weiß dieser Referent besser als die Taliban wie Entführungen zu organisieren sind:

„Es wäre viel naheliegender, dass man versucht hätte Sie zuhause zu entführen und nicht an einem öffentlichen Platz und somit auch das offensichtliche erhöhte Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen.“

Anscheinend verwechselt der Referent eine Entführung mit einer Abschiebung… Aber er tut sich überhaupt schwer mit dem Ablauf einer Entführung:

„Ebenso bleibt die von Ihnen behauptete Entführung einer Ihnen ähnlich sehenden Person nicht verständlich. So gaben Sie an: ‚[…] mir ein Freund gesagt hat, dass bewaffnete Männer auf mich warten würden und einen anderen Jugendlichen entführt haben.‘ Vorgehalten warum bewaffnete Männer auf Sie warten sollen, wenn bereits eine Person -vermeintlich Sie entführt worden wäre,  meinten Sie, dass diese davor auf Sie gewartet hätten.“

Unverständlich an der Passage ist eigentlich nur die Tatsache, dass es dem Referenten unverständich ist, dass die Entführer auf den Asylwerber gewartet haben und dann versehentlich die falsche Person entführt haben.  Man muss sehr verbissen nach Widersprüchen suchen, um die Aussage des Asylwerbers so auszulegen, dass die Entführer auch nach der Entführung weiterhin auf ihn gelauert hätten.

Mother of all pearls

 

Hier eine ganz besondere Textperle. Es sind nicht nur einzelne Sätze, die uns Einblick in die Denkweise der Behörde geben, sondern ganze Seiten zeigen uns die Einstellung des Beamten auf.

Die Textperle wurde sogar im Standard veröffentlicht und der höhnische Ton des Beamten angeprangert.

Weitere „Schmankerln“ aus dem Bescheid.

Niemand weiß, dass Sie sich für das Christentum interessieren, dass Sie getauft wurden, außer ein paar wenige Menschen in Österreich. Nicht einmal Ihre eigene Familie weiß darüber. Sie haben das streng geheim gehalten.  Daher können sie Ihren angeblichen neuen Glauben auch heimlich in Afghanistan ausüben, da keine tiefe Verinnerlichung dieses Glaubens bei Ihnen erkennbar ist und Sie als „Scheinkonvertit“ einzustufen sind.

Betreffend die Auswahl der Länderinformationen stellt sich die Frage, wer denn Willkür ausüben würde? Die Behörde, wenn Sie die Informationen von Frau Stahlmann nicht dementsprechend (in Ihrem Sinne) würdigen würde, oder Ihr Rechtsvertreter, der sich natürlich auf die für Sie passenden Aussagen von Fr. Stahlmann stützt, aber dabei alle anderen Informationen der Behörde quasi „vom Tisch wischt„?
Zur Info: Dr Friederike Stahlmann ist Afghanistan Expertin und hat im März 2018 ein grundlegendes und aktuelles Gutachten über die Sicherheitslage in Afghanistan für das Verwaltungsgericht Wiesbaden erstellt.

Die negativen Eigenheiten in einer westlichen Gesellschaft blenden sie einfach aus. Auch in einer solchen gibt es mehr als genug. Betrug, Mord, Verbrechen aller Art. Gerade die Amerikaner, die als Vertreter der westlichen Welt gesehen werden, werden als „Feinde des Islam“ angesehen. Wieso sollten Sie ausgerechnet auf die Idee gekommen sein, sich für die westliche Kultur zu interessieren bzw. für das Christentum?

Völlig an den Haaren herbeigezogen sind Ihre Behauptungen, dass Frauen im Islam keine Rechte hätten. Es ist bekannt, dass in Afghanistan Frauen in nahezu allen Berufen tätig sind. Sie studieren auf Universitäten, sind in den Medien aktiv, sind politisch Aktiv und sogar Provinzvorstände. Es gibt Yoga-, Schwimm- und Radfahrgruppen in Kabul, nur von Frauen besucht. Die Lage der Frauen bessert sich. Davon, dass dort die Frauen keine Rechte hätten, kann keine Rede sein. Diese Behauptung von Ihnen ist ohnehin bemerkenswert.

Festzustellen ist, dass Sie während Ihres Aufenthalts in Österreich natürlich einiges über das Christentum gelernt haben. Das ist jedoch nichts Besonderes, vergleichbar mit der Schule. Auch dort lernt man einiges, auf das man dann noch eine Zeit lang zugreifen kann.

Nicht glaubhaft ist Ihre Behauptung, dass Sie jeden Sonntag in die Kirche gehen würden. XXX, Generalsekretär der Vereinigten Pfingstkirchen Österreichs (VPKÖ) bestätigte in seinem Schreiben vom XX.XX.XXXX, dass Ihre Anwesenheitsquote lediglich 86% beträgt. Von einem Besuch des Gottesdienstes an jedem Sonntag kann daher nicht die Rede sein.“

Zu hinterfragen ist auch, warum Ihre christliche Gemeinde Ihnen keine Unterstützung zukommen lässt, um Ihnen einen günstige Wohnmöglichkeit abseits der Flüchtlingsunterkunft zu beschaffen. Warum lässt man Sie, als angeblichen Christen, in einer Unterkunft, in der es für Sie möglicherweise „gefährlich“ wäre, falls die anderen Asylwerber bemerken würden, dass Sie Christ seien? Warum „zwingt“ man Sie quasi zum Lügen, wenn Sie Ihre Gottesdienstbesuche vor den anderen Asylwerbern in der Unterkunft mit dem Wahrnehmen von anderen Terminen rechtfertigen müssen? Wo bleibt da der Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde, der „Familie“? Warum sorgt man nicht dafür, dass Sie Ihren angeblichen Glauben auch öffentlich vertreten können?

Ihr Interesse am Christentum kann durchaus anerkannt werden, wäre wohl aber eher akademischer Natur.

Nicht nachvollziehbar ist auch, warum Sie das Christentum als Basis eines westlichen Lebensstils ansehen sollten, wie öfters von Ihren Unterstützern behauptet wird. In der westlichen Kultur sind Religion und Politik getrennt. Die Kirchenaustrittsquoten sind hoch, Skandale in der Kirche kommen immer wieder vor. Ein guter Mensch kann man auch sein, ohne einer Kirche anzugehören. Dass Sie Christentum und westlichen Lebensstil gelichsetzen, dürfte wohl lediglich am Asylverfahren liegen, womit dann auch ein weiterer „Fluchtgrund“ konstruiert werden soll.

Im Gengensatz zu anderen Scheinkonvertiten aus Afghanistan sind Sie nicht einmal aus dem Islam ausgetreten.“

Und noch viele weitere Stilblüten sind in diesem Bescheid zu finden.

 

 

 

Alltag

 

Beschreiben Sie mir Ihren Alltag zuletzt im Heimatland?“

Diese Frage wurde dem Asylwerber gleich nach den Schilderungen der Misshandlungen und Drohungen der Taliban gestellt. Der Asylwerber hat  den Ablauf eines typischen Tags beschrieben.

In der Beweiswürdigung liest man dann:

„Bemerkenswert ist, dass Sie von diesem behaupteten Erlebnis mit Mitgliedern der Taliban nichts an Ihrem Verhalten im Alltagsleben verändert haben und auch Ihre Schilderung Ihres Alltags zuletzt im Heimatdorf auch nur ansatzweise eine persönliche Bedrohung- oder Gefährdungslage Ihrer Person erkennen lässt.“

Und weiter

„Bezüglich Ihres Alltags korrigierten Sie sich noch einige Sätze später und führten dann völlig abweichend aus, dass Sie sich die letzten vier Tage  vor Ihrer Ausreise nur mehr im Haus versteckt hielten und dann mit Ihren Angehörigen ausgereist waren.“

Der Referent verlangt also vom Asylwerber, dass er seinen „Alltag“ – und nicht den Ausnahmezustand der letzten Tage vor seiner Flucht – schildert, wirft ihm dann der Unglabwürdigkeit vor, weil er eben den Alltag und nichtdie Ereignisse mit den Taliban beschriebt. Als der Asylwerber dann erklärt, dass seine letzen Tage in Afghanistan aufgrund der Bedrohung völlig anders als der Alltag abliefern, wirft ihm der Referent vor, seine Aussage sei vom Thema „völlig abweichend“, was natürlich die behauptete Unglaubwürdigkeit weiter erhöht.

Wann ist denn etwas glaubhaft?

 

Eine zentrale Frage in den meisten Asylverfahren.

Unzweifelhaft waren Ihre diesbezüglichen Behauptungen glaubhaft, zumal sämtliche Ihrer Angaben dazu keinerlei Vorteil für Sie erbringen.“

Umgekehrt allerdings…….eh schon wissen…..

 

Romeo und Julia

 

Die klassische Bildung des Beamten scheint noch nicht ganz abgeschlossen zu sein. Hätte er Faust gelesen, wo Gretchen ihr Kind umbringt, oder Romeo und Julia, hätte er folgenden Satz wohl nicht geschrieben:

Da sowohl Sie als auch Ihre behauptete Ehegattin, mit Sicherheit von den Strafen welche eine solche Beziehung nach sich ziehen würde, gewusst haben, ist auch eine solche Beziehung ohne Einverständnis der Eltern nur schwer vorstellbar.“

Die vollen Gefängnisse zeugen weltweit dafür, dass das Wissen über eine Strafe nicht unbedingt von der Durchführung der Tat abhält.

 

Wie bitte?

 

 

„Als Ihnen seitens der Behörde vorgehalten wurde, dass Sie mit diesem Vorbringen nicht der erste Fall sind, haben Sie keine plausible Antwort gegeben, sondern versuchten sich Zeit [zu] verschaffen, indem Sie sich
den Vorhalt nochmals anhören ließen und brachten aber selbst danach, keine Entkräftung dieses Vorhalts vor(siehe EV Seite 12), was die Behörde zu der Erkenntnis kommen lässt, nicht so falsch mit dieser Beurteilung zu liegen, da eine Person welche diesen Fluchtgrund tatsächlich hat, vielmehr dem Vorhalt widersprechen würde, was Sie aber gänzlich unterließen.“

Nach dieser Logik dürften keine zwei Rohingya den selben Fluchtgrund angeben. Be dem Vorwurf, meine Aussage könne nicht war sein, weil ein anderer schon denselben Fluchtgrund hatte, hätte ich auch um eine Wiederholung der Frage gebeten.

unsachlich

 

„Der von Ihnen vorgelegte Befund eines Facharztes für Psychiatrie attestiert Ihnen eine Angststörung und schwere depressive Episoden. Sie sind bereits seit Oktober 2015 in Österreich, haben aber erst kurz vor der Ladung zur Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Termin bei einem Psychiater vereinbart. Die Monate davor waren Sie weder in Therapie noch haben Sie irgendwelche Antidepressiva genommen.“

Anmerkung: Die Geflüchtete wollte sehr lange keine Hilfe annehmen – erst als sich im Frühling 2017  ihr Gesundheitszustand sehr verschlechterte.
Das Betreuungspersonals der Grundversorgung vereinbarte umgehend einen Termin bei einem muttersprachlichen Facharzt. Die Wartezeiten sind bekannter Weise sehr sehr lang. Therapieangebote im Flüchtlingsbereich wie bei Hemayat haben Wartezeiten von bis zu 6 Monate.

Ermordung – ein bedauerlicher Todesfall

 

Die von Ihnen vorgebrachten Todesfälle ihn Ihrer Familie 2007 sind tragische und bedauerliche Vorfälle, ein konkreter Zusammenhang mit Ihrem Fluchtvorbringen konnte jedoch nicht bewiesen werden und entfaltet daher auch keine Asylrelevanz. Sie vermuten, dass Ihre Angehörigen von Milizen getötet wurden, es gibt dazu jedoch keine Beweise und es lässt sich nicht eruieren von wem Ihre Angehörigen getötet wurden.

Anmerkung: Einen Tag nach der Entführung des Sohnes wurde der Schwager des Geflüchteten umgebracht, drei Verwandte mütterlicherseits ermordet, zwei Verwandte seiner Ehefrau umgebracht, ihr Onkel gefoltert und ihm das Auge entfernt.

Im Gegensatz zu den nicht nachvollziehbaren Behauptungen der Behörde, dass kein konkreter Zusammenhang zwischen den „Todesfällen“ [sic!] in der Familie und dem Fluchtvorbringen besteht, ist auszuführen, dass die zahlreichen Morde, Entführungen und Folterungen sunnitischer Familienmitglieder, Freunde und Kollegen zwischen 2007 und 2009 aufgrund deren Religionszugehörigkeit sehr wohl asylrelevant sind, da sie belegen, dass im Irak Sunniten und insbesondere der Geflüchtete und seine Familie einer massiven gewalttätigen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt sind.

Auch die länderkundlichen Informationen belegen, dass die Sicherheitslage im Irak sich in den letzten Jahren sogar noch einmal massiv verschlechtert hat und es zu einem Anstieg der Todeszahlen und der Gewalt- und Kriegshandlungen kam.