Alles relativ

 

Aus einem negativen Bescheid:

„Bei Unterbringung in einen Kabuler Flüchtlingslager droht grundsätzlich keine Extremgefahr i.S.d. § 60 VII 1 und 2 AufenthG . 
In diesen Unterkünften sind die Lebensverhältnisse zwar erbärmlich und Kinder und ältere Menschen besonders gefährdet.

Doch die Opferzahlen in den Lagern sind in Relation zur Gesamtzahl der dort Lebenden nicht so hoch, dass für alle Bewohner die Gefahr besteht, sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert zu sein.
Selbst in den am stärksten gefährdeten Altersgruppen überleben bei weitem die Meisten.“

Da waren es nur mehr fünf …

 

BFA: Sie sind traditionell verheiratet, dazu geben Sie an mit …. verheiratet zu sein, dabei führen Sie 5 gemeinsame Kinder an.

Die Eltern haben richtigerweise  – auch so im Interview angegeben – sieben Kinder, wovon sechs in Österreich leben.

Anmerkung: So ein Fehler würde bei einem Aslywerber als „unglaubwürdig“ ausgelegt werden, bei einem Beamten hingegen ist es nur eine harmlose Unachtsamkeit.

 

Imaginäre Familie

 

Aus dem Bescheid eines 1999 geborenen Schülers:

Ihre Frau und Ihre Kinder sind seit dem 27.09.2015 […] aufhältig.“
Richtigerweise kann es sich nur um die Eltern und die Geschwister des 1999 geborenen Schülers handeln, da er selbst nicht verheiratet ist.

„Sie selbst haben angegeben, dass sie Ihre Eltern früh verloren haben, deshalb hätten Sie auch keine Schule besucht dabei war es Ihnen ebenfalls möglich die Grundbedürfnisse durch Ihre Arbeit, sogar als Jugendlicher, zu decken. Auch In weitere Folge war es Ihnen  nach traditioneller Eheschließung möglich, für Ihre Frau und Ihre sechs Kinder  zu sorgen. Sie sind volljährig, verfügen über mehrjährige Arbeitserfahrung und haben durch diese Ihre Familie und sich selbst versorgt.“

Hier wird offensichtlich ein (sehr unpassender)Textbaustein aus einem anderen Bescheid verwendet, um die Abscheibung des Aslywerbers zu rechtfertigen.

Westlich orientiert in Afghanistan?

 

Aus einem negativen Asylbescheid einer Mutter:

„Sie brachten vor kein selbst bestimmtes Leben in [Heimatland] zu führen, wobei Sie aber nicht als westlich Orientierte Frau auftraten, sondern sehr wohl den Tschador getragen haben.“

Eigentlich bestätigt dieses Tragen des Tschadors, dass die Frau eben kein selbstbstimmtes Leben in Afghanistan führen konnte. Aber das BFA – das offenbar genau weiß, wie sich Frauen in ländlichen Gegenden in jenem Land kleiden dürfen – macht es dieser Asylwerberin  (die explizit ihre Freiheit hier in Österreich lebt und liebt) zum Vorwurf, dass sie sich dort den herrschenden Bedingungen fügen musste.

 

Schulpflicht

 

Aus dem negativen Asylbescheid einer Gymnasialschülerin:

„Sie haben den Besuch eines Deutschkurses angeführt, weitere Besuche von Veranstaltungen, Kursen etc. haben Sie nicht erwähnt auch haben Sie diesbezüglich keine Dokumente in Vorlage gebracht.“ 

 

Progressiv

 

Aus dem negativen Bescheid einer jungen verheirateten Frau:

„In Ihrem Fall wurde keinem Ihrer Familienangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass auch eine Schutzgewährung aus Gründen des Familienverfahrens nicht in Betracht kam. Ihre Ehefrau hat eigene Fluchtgründe angeführt.“

Hier sind Textbausteine am Werk. Um einen negativen Bescheid zu rechtfertigen, wird kurzerhand aus dem negativen Bescheid eines anderen Asylwerbers Text übernommen.

: „Ja, mein Mann heißt XX, er ist am …… geboren. Befragt gebe ich an, dass ich XX vor knapp …… Jahren in YY nach islamischen Recht geheiratet habe.“
Antwort auf die Frage beim Interview nach dem Familienstand, wann und wo sie geheiratet hat und ob die die Eheschließung traditionell und/oder standesamtlich war. Der Referent hatte also die Information, dass die Frau nicht mit einer Frau verheiratet war, aber er hat übersehen, dass sein Textbaustein nicht zum gegenwärtigen Fall passt.

 

Einfach falsch!

 

Immer wieder kommt es zu Unachtsamkeiten und Verwechslungen:

Frage: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?
Antwort: Ich bin afghanischer Staatsangehöriger.

Frage: Sind Sie verheiratet?
Im Protokoll: Ja, meine Frau  …. ist am …. geboren und ist noch im Irak.

Anmerkung: Der afghanischer Asylwerber hatte keine Frau in Irak. Die begleitende Vertrauensperson hat beim Interview öfters auf  falsche Textbausteine aufmerksam gemacht …. die dann doch nicht raus-korrigiert wurden.

Nicht aufgepasst

 

Interviewer: „Woher kannte diese Person, die den Drohanruf tätigte Ihre Telefonnummer?“

Asylanwärter: „Das weiß ich selber nicht. Die einzige Möglichkeit wäre, dass sie die Daten über die Firma erhalten haben. Ich habe jeden Wohnungswechsel bei der Firma bekanntgeben müssen bzw. musste immer die aktuelle Telefonnummer angegeben sein, falls in der Firma jemand ausfiel.

Im Bescheid steht dann: „Zu diesem Telefonanruf gibt es keine Beweise und Sie können keine detaillierten Angaben machen, wer der Anrufer war und woher er die Telefonnummer hatte.“

unsachlich

 

„Der von Ihnen vorgelegte Befund eines Facharztes für Psychiatrie attestiert Ihnen eine Angststörung und schwere depressive Episoden. Sie sind bereits seit Oktober 2015 in Österreich, haben aber erst kurz vor der Ladung zur Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Termin bei einem Psychiater vereinbart. Die Monate davor waren Sie weder in Therapie noch haben Sie irgendwelche Antidepressiva genommen.“

Anmerkung: Die Geflüchtete wollte sehr lange keine Hilfe annehmen – erst als sich im Frühling 2017  ihr Gesundheitszustand sehr verschlechterte.
Das Betreuungspersonals der Grundversorgung vereinbarte umgehend einen Termin bei einem muttersprachlichen Facharzt. Die Wartezeiten sind bekannter Weise sehr sehr lang. Therapieangebote im Flüchtlingsbereich wie bei Hemayat haben Wartezeiten von bis zu 6 Monate.

Entführung ist nur geringfügige Benachteiligung

 

Allgemeine geringfügige Benachteiligungen, die noch nicht das Ausmaß einer Gruppenverfolgung angenommen haben, richten sich nicht speziell gegen Ihre Person und können daher nicht zur Gewährung von Asyl führen.

Anmerkung: Der Geflüchtete hat in seiner Einvernahme umfassend ausgeführt, dass er während seiner Entführung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt war. Die Behörde geht in ihrer Begründung in keinster Weise darauf ein.