Copy und Paste

Der langjährige Asylrechtsanwalt Georg Bürtsmayr hat kürzlich die Praxis einiger BVwG Richter angeprangert „Copy und Paste Verfahren“ durchzuführen. Auch wir sehen immer wieder Erkenntnisse die sich über lange Strecken wortgleich mit anderen Erkenntnissen decken. Prinzipiell macht es ja auch Sinn Textbausteine zu verwenden, denn es wäre unsinnig Richter zu zwingen die Texte jedes mal neu schreiben zu lassen. Aber wie ähnlich sind die Erkenntnisse und gibt es Unterschiede in der Praxis des „Copy und Paste“ zwischen den RichterInnen?

Die Erkenntnisse setzen sich aus folgenden Bereichen zusammen:

  • Kopfbereich
  • Spruch
  • Verfahrensgang
  • Feststellung zur Person und Länderinformation
  • Beweiswürdigung
  • Rechtliche Beurteilung
  • Fußbereich

Kopf- und Fußbereich sind Navigationselemente der RIS Darstellung und für einen Vergleich irrelevant. Der Spruch ist die Zusammenfassung des Ausgangs des Verfahrens, hoch-standardisiert und dementsprechend individuell für das Verfahren angepasst. Die Feststellungen bzgl. der Person sind individuelle Beschreibungen der Umstände und Historie des/der AsylwerberInnen und unterscheiden sich dementsprechend. Eine Auswertung der Copy und Paste Praxis macht hier wenig Sinn. Die Länderinformation nimmt den größten Teil ein und ist eine Darstellung der Situation im Herkunftsland. Dieser Bereich ist natürlich fast immer gleich und eine Übereinstimmung der Textpassagen ist zu erwarten. Die Beweiswürdigung legt dar wie das Vorbringen des/der AsylwerberIn im Hinblick auf Länderberichte, Gutachten und Glaubwürdigkeit zu betrachten ist. Eine Analyse der Ähnlichkeiten dieser Textpassagen macht Sinn, um herauszufinden ob RichterInnen hier großflächig „Copy und Paste“ anwenden.

Vorgehensweise

Für die folgende Analyse haben wir uns auf Erkenntnisse des Jahres 2019 (Jän – Jul) für das Herkunftsland Afghanistan konzentriert und nur die Verwendung von Textbausteinen für den Bereich Beweiswürdigung untersucht. Insgesamt gibt es dazu 3.170 Verfahren von 127 RichterInnen.

Pro RichterIn vergleicht die Analyse die Textpassage „Beweiswürdigung“ eines Erkenntnisses mit allen anderen Beweiswürdigungen des/der selben RichterIn. Zur Ermittlung der Gleichheit zweier Text verwendet die Auswertung die Levenshtein-Distanz Metrik, eine mathematische Methode um die minimale Anzahl von Veränderungen durch Löschen, Einfügen und/oder Ersetzen von Zeichen des 1. Textes in den 2. Text zu ermitteln.

Ein Beispiel: Das Wort „Tier“soll in das Wort „Tor“ umgewandelt werden. Die minimale Anzahl von Schritten ist lt. der Levenshtein-Distanz 2:

  1. Tier
  2. Toer (Ersetzen von i durch o)
  3. Tor (Löschen von e)

Mehr dazu hier:
https://en.wikipedia.org/wiki/Levenshtein_distance
https://rosettacode.org/wiki/Levenshtein_distance#Java
https://dzone.com/articles/the-levenshtein-algorithm-1

Die Analyse ermittelt eine Matrix pro Richter die die Beweiswürdigungen pro Verfahren miteinander vergleichen und einen Hinweis der Gleichheit der Beweiswürdigungen darstellt. (100% = ident).

Hier das Ergebnis für Richter W134

Klar zu erkennen die 100% Diagonale der Vergleiche der selben Erkenntnisse miteinander.

Zum Vergleich Richter 148 mit einigen weißen Bereichen die auf gekürzte Ausfertigungen zurückzuführen sind.

Und hier Richter W156

Nachdem die Ähnlichkeiten der Beweiswürdigung für alle RichterInnen ermittelt wurden, kann ein Durchschnitt pro RichterIn ermittelt werden. Folgende Grafik zeigt die durchschnittlichen Prozentwerte der Ähnlichkeit der Beweiswürdigungen pro Richter auf. Auffallend ist wie unterschiedlich die Richter mit dem Thema „Copy & Paste“ umgehen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse bei längeren Texten kaum 100% ergeben werden, da häufig vorkommende Worte wie „der, die, das, und, oder, usw. „, Interpunktionen usw. ja keine Änderungen benötigen. Außerdem ermittelt die Methode die Ähnlichkeiten der Texte so wie sie im Erkenntnis vorkommen. Die Reihenfolge der Absätze also in der Auswertung berücksichtigt wird. Falls aber Absätze mit gleichen Inhalt vertauscht in anderen Beweiswürdigungen vorkommen, so würde das die Auswertung nicht als Ähnlichkeit erkennen. Hinzukommt weiters, dass Datumsangaben, Referenzen auf Geschäftszahlen etc. zweier Erkenntnisse selbstverständlich zusätzliche Unterschiede ausmachen und den Ähnlichkeitsfaktor niedriger darstellen als er eigentlich ist. Es ist auch wichtig anzumerken, dass die Auswertung rein lexikalisch erfolgt und keine semantische Vergleiche durchführt. Die Satzteile „… hat ein Anrecht auf Asyl …“ und „… hat kein Anrecht auf Asyl …“ benötigen lediglich eine Änderung und die beiden Texte gelten als 96% ident. Dieses Vorgehen ist allerdings für die Analyse von „Copy & Paste“ zulässig, da ja die Übereinstimmung der Textzeichen überprüft werden soll. Das Beispiel zeigt aber gut auf, dass „Copy & Paste“ mit nur kleinen Veränderungen eine hohe Ähnlichkeit aufweist.

Eine Ähnlichkeit von über 35% stellt daher unserer Meinung schon eine sehr große Übereinstimmung dar.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Anwendung von „Copy und Paste“ sicherlich zulässig ist, wir aber in der Beweiswürdigung ein sehr heterogenes Bild der Anwendung von „Copy & Paste“ durch die RichterInnen erkennen. Da dieser Teil der Erkenntnisse sich auf die Bewertung der Beweise und der persönlichen Angaben des/der AsylwerberIn bezieht, scheinen Ähnlichkeiten von über 35% der Anforderung individuell auf die persönliche Situation des/der AsylwerberIn einzugehen, nicht Rechnung zu tragen.

Kommentare sind geschlossen.