Flüchtlingshelfer gelten nicht

 

„Sie verfügen über zahlreiche soziale Kontakte, solche bestehend vorwiegend zu ehrenamtlichen Integrationshelfern, mehreren Mitgliedern des Vereins XXXXX, ehrenamtlich tätigen Deutsch-Lehrern, etc., vorwiegend Personen, die in Hilfs- und Flüchtlingsinitiativen tätig sind bzw. die Sie bei den Aktivitäten dieser Vereine kennen gelernt haben.

Vor allem in den letzen Jahren ist festzustellen, dass derartige Schreiben fast immer von Personen verfasst werden, die sich als (auch ehrenamtliche) Mitarbeiter von karitativen Einrichtungen sowei Mitglieder von Vereinen und Initiativen der Integration von Asylwerbern widmen, die ihre Aufgabe auch darin sehen, Personen im Asylverfahren zu unterstützen. Dabei fällt auf, dass praktisch jedem Klienten ähnlich lautende Empfehlungsschreiben ausgestellt werden, in denen diesen ein außergewöhnliches Maß an Hilfsbereitschaft und Fleiß bescheinigt wird – gerade auch bei der Unterstützung der Arbeit dieser Vereine und Initiative – sowie deren Teilnahme an angebotenen Aktivitäten hervorgehoben wird.

Es ist natürlich, dass Personen und Gruppen, die Ihre ehrenamtliche Mitarbeit für sich oder die Vereinstätigkeit in Anspruch nehmen, sich auch dadurch erkenntlich zeigen, indem sie Sie mit Empfehlungsschreiben unterstützen.“

Der Entführungs-Experte

 

Von seinem Schreibtisch in Österreich aus weiß dieser Referent besser als die Taliban wie Entführungen zu organisieren sind:

„Es wäre viel naheliegender, dass man versucht hätte Sie zuhause zu entführen und nicht an einem öffentlichen Platz und somit auch das offensichtliche erhöhte Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen.“

Anscheinend verwechselt der Referent eine Entführung mit einer Abschiebung… Aber er tut sich überhaupt schwer mit dem Ablauf einer Entführung:

„Ebenso bleibt die von Ihnen behauptete Entführung einer Ihnen ähnlich sehenden Person nicht verständlich. So gaben Sie an: ‚[…] mir ein Freund gesagt hat, dass bewaffnete Männer auf mich warten würden und einen anderen Jugendlichen entführt haben.‘ Vorgehalten warum bewaffnete Männer auf Sie warten sollen, wenn bereits eine Person -vermeintlich Sie entführt worden wäre,  meinten Sie, dass diese davor auf Sie gewartet hätten.“

Unverständlich an der Passage ist eigentlich nur die Tatsache, dass es dem Referenten unverständich ist, dass die Entführer auf den Asylwerber gewartet haben und dann versehentlich die falsche Person entführt haben.  Man muss sehr verbissen nach Widersprüchen suchen, um die Aussage des Asylwerbers so auszulegen, dass die Entführer auch nach der Entführung weiterhin auf ihn gelauert hätten.

Auch Kranke sind gesund

 

„Sie sind zudem männlich, jung, gesund und arbeitsfähig.“

Der Asylwerber hat einen gravierenden Wirbelsäülenbruch erlitten und kann weder schwere Gegenstände heben noch lange sitzen. Diese Verletzung wurde explizit bei der Einvernahme hervorgebracht und protokolliert, wird aber vom Referenten im eigentlich Bescheid  nirgends erwähnt.

Dieses bewusste Ignorieren einer relevanten medizinischen Tatsache bildet  auch den Hauptgrund für die Beschwerde.  Kein Wunder, dass das BFA eine so hohe Fehlerquote hat.

Mit beiden Beinen im Leben

 

„Aufgrund Ihrer für Ihr behauptetes Alter [das „behauptete Alter“ wurde durch eine Altersfstestellung bestätigt, was den Referenten nicht daran hindert, dem Asylwerber zu unterstellen, er sei älter als er angibt] ist davon auszugehen, dass es sich bei Ihnen um einen jungen, sehr selbstständigen, fast volljährigen Mann handelt, der mit beiden Beinen im Leben steht und dem eine Rückkehr nach Afghanistan, speziell nach Kabul, und der dortige Aubau einer Zukunft absolut zuzumuten ist.“

Der Asylwerber ist minderjährig und es kann also von ihm nicht erwartet werden, dass er seinen lebensunterhalt selbst verdient,  aber der schlaue Referent weiß sich trotzdem zu helfen – der Junge ist eben „fast volljährig“ und steht „mit beiden Beinen im Leben“ also kann er in Kabul auch ohne Familie und Freunde sich eine Zukunft aufbauen.

Keine Anleitung zur Kriminalität

 

„Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt,  die nicht überkommenen Berufsbilder entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern  und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können,  auch sowie diese Arbeiten im Bereich einer „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.“

Man kann sich allerdings schwer vorstellen, worauf sonst hiermit verwiesen wird… (In Österreich würde etwa Prostitution eine Möglichkeit sein, aber in Afghanistan fällt das leider unter „kriminelle Aktivitäten“).

Noch nicht straffällig

 

„Zu Ihrer Person: […] Sie sind noch nicht straffällig geworden.“

Es sei hier angemerkt, dass der gerade erst volljährig gewordener Asylwerber bis dato keinerlei Schwierigkeiten mit der Polizei oder irgendjemandem anderen gehabt hätte, die Grund zur Annahme liefern würden, es sei nur eine Frage der Zeit bis er straffällig wird.

 

Fortschritte seit der Taliban-Herrschaft

 

„Als afghanische Frau ist im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan festzuhalten, dass sich jedenfalls keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben haben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat und „außer Frage“ steht, dass gewisse Fortschritte gemacht wurden.“

Unser sprachgewandter Referent vermeidet es geschickt, explizit anzugeben, was genau die Fortschritte sind, die die Situation der Frauen seit der Taliban-Herrschaft so verbessert haben. Denn verglichen mit der Herrschaft der Taliban muss ziemlich jede Änderung in der Situation der Frauen, egal wie klein, als Fortschritt angesehen werden.

Straßen in gutem Zustand

 

Der Antrag eines minderjährigen Aslywerbers aus der Provinz Ghazni wurde abgelehnt, u.a. mit der Begründung, er könne nach Ghazni (! – Ghazni gehört laut der UNO Generalversammlung von 2016 zu den instabilsten Provinzen des Landes) zurückkehren , und erklärt dann ausführlich warum:

„Was die Erreichbarkeit Ihrer Heimatprovinz angeht sei auf die ho. vorliegenden Länderfeststellung verwiesen, nämlich: Der Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015; vgl. AlJazeera 14.10.2015). Der Kandahar-Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni (ISW o.D.) Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von Ghazni (Global Security o.D.) Ein Fahrer der Kabul-Kandahar Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von Kandahar bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pahjwok 18.3.2015)“

Na, dann steht eine Rückkehr nach Ghazni nichts im Wege! Dass die Taliban Reisende aufhält und sie anschließend entführt oder tötet, sodass der einzige sichere Transportmittel das Flugzeug ist, ist wohl ein unwichitgies Detail verglichen mit der physischen Existenz einer Straße, die 2015 noch im guten Zustand war.

Allerdings war laut eigenen Angaben des straßenkundigen Referenten schon 2015 die Straße in Ghazni selbst NICHT in einem guten Zustand. Aber das scheint auch ein unwichtiges Detail zu sein.

 

 

Was

5 Kinder pro afghanische Frau

 

„Die Angaben, dass Ihre Mutter nur zwei Geschwister hätte […] und Ihr verschollener Vater […] ein Einzelkind wäre, ist unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Geburtenrate von mehr als fünf Kindern pro afghanischer Frau, und dies selbst noch im Jahre 2013 (CIA factbook Afghanistan) zumindest auffallend. Es steht daher die Möglichkeit einer bewusst verzerrten Darstellung der sozial/familiären Einbettung zum Zwecke einer erfolgsversprechenderen Asylgewährung deutlich im Raum.“

Dies ist eine Unterstellung. Genauso könnte man argumentieren, dass eine österreischische Familie mit mehr als 1.8 Kindern die sozial/familiäre Einbettung zum Zwecke einer erhöhten Kinderbeihilfe bewusst verzerre. Der/die Referent/in hat außer der reinen Statistik keine Anhaltspunkte dafür, dass der Asylwerber nicht aus einer Kleinfamilie stammt.

Allgemeingültigkeit

 

 

Ebenso wurden Sie gefragt, was Sie sofort nach der Vergewaltigung gemacht haben. Sie haben angegeben, dass Sie Ihre Kleidung verbrannt hätten. Sie wurden befragt, warum Sie sich nicht gleich danach gewaschen hätten. Dazu haben Sie angegeben, dass Sie zuerst Wasser hätten holen müssen und dieses erst erwärmen hätten müssen. Dazu muss angemerkt werden, dass alle Opfer nach einer Vergewaltigung einen dermaßen ausgeprägten Ekel und das Bedürfnis nach einer ausgiebigen Reinigung haben.

Dass ein Referent behaupten kann, alle Opfer einer Vergewaltigung müssen nach einem bestimmten Schema reagieren, von dem er irgendwann mal gelessen hat, auch wenn die Umstände diese Reaktion schwer möglich machen, ist offensichtlich absurd. Aber nicht in den Augen des BFA.