Asyl-Recht-Navigator

Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) ist ein essenzielles Recherchewerkzeug für Juristen. Für eine effektive Judikatur-Recherche im Asylbereich ist die Suche des RIS aber nicht ausreichend. Daher haben wir die RIS-Suche neu gedacht und setzen mit dem Projekt Asyl-Recht-Navigator einen neuen Standard effizienter Judikatur-Recherche im Asylbereich.

Wolfgang Salm setzt sich seit Jahren intensiv mit den Daten des RIS auseinander und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gerichtsentscheidungen im Asylbereich transparenter zu machen. Die Entwicklung einer modernen online Suchapplikation war daher ein logischer nächster Schritt.

Zusätzlich soll die Lösung den Benutzer:innen aber auch neue Suchmöglichkeiten bieten, sodass Recherchearbeiten rasch und effizient durchgeführt werden können. Grundlegende Ziele des Projekts Asyl-Recht-Navigator waren daher:

  • Enablement
    • Verbesserte Suchmöglichkeiten öffentlich bereitstellen
    • Fall-orientiertes Suchen ermöglichen
    • Relevanz zu bestimmten Themengebieten darstellen
  • Transparency
    • Facetten zur Navigation und als zusätzliche Informationsquelle
    • Verfahrensausgänge und -historie aufzeigen
    • Möglichkeit rechtsstaatliche Lücken sichtbar zu machen
  • Cooperation
    • Shareabale Sucheinstellungen
    • Verbesserungen, Ideen und Vorschläge zur Nutzung für alle User
    • Asyl-Recht-Navigator als Forum für organisationsübergreifende Diskussion

Der Asyl-Recht-Navigator ist unter https://arn.fairness-asyl.at zu finden. Das Angebot wird gratis zur Verfügung gestellt. Um die Suchfunktion verwenden zu können, ist eine Regisitrieung notwendig.

Features

Suchbare Textbereiche

Mit der Möglichkeit in bestimmten Textbereichen der Entscheidungen zu suchen, bieten wir eine Lösung zum größten Schwachpunkt der Suche im RIS. RIS durchsucht immer das ganze Dokument, was häufig false-positive Treffer verursacht, sodass eine Recherche extrem zeitaufwendig wird.

Der Asyl-Recht-Navigator adressiert dieses Manko, indem die wesentlichen Textbereiche, wie Norm, Spruch, Verfahrensgang, Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung separat durchsucht werden können. Das stellt eine enorme Verbesserung dar, da erst eine Trennnung der Entscheidungstexte punktgenaue Recherchen ermöglicht.

So können mit dem Asyl-Recht-Navigator Suchen zu einem bestimmten Themengebiet durchgeführt werden, ohne durch zu viele false-positive Treffer gestört zu werden. Eine Suche zum Themengebiet LGBTQi wird zB mit folgenden Suchbegriffen in dem Textbereich „rechtliche Beurteilung“ erfolgreich sein: „homosexualität ODER homosexuell ODER homo-sexualität ODER homo-sexuell ODER bisexuell ODER bi-sexuell ODER queer ODER lgbt*“. Eine Suche im RIS würde aber auch Entscheidungen zeigen, die einen der Begriffe im Verfahrensgang oder den Feststellungen aufweist.

Mit der Trennung der Felder ist es auch möglich den Verfahrensausgang zumindest im Ansatz zu bestimmen. Eine Suche im Spruch der Entscheidung nach „Flüchtlingseigenschaft zukommt“ NICHT abgewiesen“ und nach „AsylG 2005 §3“ in der Norm ist ein möglicher Ansatz, um Entscheidungen mit dem Ausgang „Asyl“ zu finden.

Selbstverständlich ist es auch möglich, Suchen in mehreren Textbereichen zu kombinieren. Folgender Screenshot zeigt eine mögliche Sucheinstellung, die Asylvergaben zum Themengebiet „LGBTQi“ ermittelt.

Einschränkung auf Herkunftsländer

Es liegt auf der Hand, dass das Herkunftsland eine überragende Rolle bei der Judikatur-Recherche im Asylbereich darstellt. Leider ist eine Suche nach dem Herkunftsland im RIS nicht möglich.

Eine wesentliche Verbesserung stellt daher der Asyl-Recht-Navigator dar, indem Suchen nach Herkunftsland möglich sind. Während des Daten-Onboardings wird aus dem Spruch-Teil der Entscheidung das Herkunftsland ermittelt und suchbar gemacht. Diese Information wird zusätzlich bei jeder Suche als Facette dargestellt, sodass die Suchergebnisse u.a. nach den Herkunftsländern gefiltert werden können.

Facettennavigation

Alle Suchergebnisse werden automatisch mit einer Facettennavigation angereichert, die eine intuitive Filterung/Navigation der Entscheidungen erlaubt. Mittels einfacher Auswahl der Facetten kann extrem komfortabel auf jene Entscheidungen gefiltert werden, die für die vorliegende Recherche-Aufgaben relevant sind.

Der Asyl-Recht-Navigator bietet Suchen für Entscheidungen des BVwG, VfGH und VwGH an. Die Facettennavigation ist entsprechend auf die Inhalte der Entscheidungen dieser drei Gerichte abgestimmt. So wird bei BVwG Suchen zB Herkunftsland, Gerichtsabteilung etc. angeboten, bei VwGH wird zusätzlich der Senat und die Art der Revision als Facettenfilter angeboten.

Durch die Kombination der Facettenauswahl kann schnell durch die Suchergebnisse navigiert werden. Die Verwendung der oben beschriebenen „Suchbare Textbereiche“ erlaubt es innerhalb von Sekunden die Entscheidungen auf ein Themengebiet einzuschränken.

Gruppierte Darstellung

Die Suchergebnisse im RIS liefern eine Liste aller gefundenen Entscheidungen. Bei Familienverfahren bzw. Entscheidungen, die mehrere Geschäftszahlen betreffen ist die Recherche oft mühsam, da sich der Inhalt dieser „mitverhandelten“ Entscheidungen kaum unterscheidet. Der Asyl-Recht-Navigator nimmt auf Entscheidungen mit mehreren Geschäftszahlen Rücksicht und stellt „mitverhandelte“ Entscheidungen vereinfacht dar. Somit kann sich die Recherchearbeit auf die wesentlichen Entscheidungen konzentrieren.

Verknüpfungen

Der Asyl-Recht-Navigator verbindet die Entscheidungen der drei Gerichte miteinander, und stellt eine Historie der Entscheidungen zu einer Person dar. Zu jeder angezeigten Entscheidung wird die BVwG Geschäftszahl herangezogen, um Entscheidungen gleicher Stammzahl (7-stellige Nummer zB W195 2230392-1) in den BVwG, VfGH oder VwGH Entscheidungen zu finden. Dadurch ist es möglich den Gang durch die Gerichte zu einer Personen aufzuzeigen.

Zusätzlich werden damit auch aufgehobene Entscheidungen transparent dargestellt. Im RIS werden aufgehobene Entscheidung ohne besondere Kennzeichnung dargestellt. Das scheint bedenklich, da solche Entscheidung rechtlich gesehen nicht mehr existieren. Der Asyl-Recht-Navigator bringt auch hier Transparenz und kennzeichnet aufgehobene Entscheidungen im Kopfbereich der Spruch Hover-Funktion.

Voreinstellungen

Mit den zusätzlichen Suchmöglichkeiten kann es mühsam sein, bereits verwendete Sucheinstellungen bei späteren Recherchen wieder einzugeben. Der Asyl-Recht-Navigator bietet daher eine Auswahl von „Beliebten Sucheinstellungen“ an, die als Grundlage für eine Suche dienen. Die geladenen Einstellungen können in weiterer Folge verfeinert werden und an die aktuelle Recherche-Aufgabe angepasst werden.

Gerne nehmen wir Vorschläge für weitere Einstellungen entgegen. Schicken sie uns ein E-mail an arn@fairness-asyl.at und beschreiben sie die Anforderung der Suche, gemeinsam mit Vorschlägen für Sucheinstellungen.

Begriffe zählen

Eine Suche nach bestimmten Schlüsselwörtern ist zielführend, um mehrere Formulierungen und Schreibweisen abzudecken. Das folgende Beispiel zeigt, wie mit ODER-Verbindungen nach einer Anzahl von Suchbegriffen zB in der „rechtlichen Beurteilung“ gesucht werden kann: „homosexualität ODER homosexuell ODER homo-sexualität ODER homo-sexuell ODER bisexuell ODER bi-sexuell ODER queer ODER lgbt*“. Der Nachteil einer solchen Suche liegt darin, dass ein Treffer keinerlei Aussagen über die Relevanz der einzelnen Suchbegriffe pro Entscheidung macht. Das Vorkommen eines einzelnen Wortes steht Seite-an-Seite mit Entscheidungen, die mehrfache Nennungen enthalten. Der Asyl-Recht-Navigator bietet eine „Begriffe zählen“ Funktion, um einen besseren Einblick in die Relevanz der gesuchten Begriffe pro Entscheidung zu geben. Dabei werden die in einer Komma-separierten Liste angegebenen Suchbegriffe in dem gesuchten Textbereich gezählt. Dadurch kann sehr rasch die Relevanz der Entscheidung zu einem Themengebiet erkannt werden.

Kooperation

Wir möchten mit dem Asyl-Recht-Navigator die Kooperation vereinfachen und eine Plattform schaffen, die zur Organisations-übergreifenden Zusammenarbeit einladet. Als ersten Schritt haben wir daher eine „Share-Funktion“ umgesetzt, die es ermöglicht Sucheinstellungen mit Kolleg:innen zu teilen. Eine URL kann erstellt und an Mitarbeiter:innen weitergeleitet werden, die mit dem Aufruf die Einstellungen problemlos laden können.

Roadmap

Wir haben noch einiges vor! Hier ist eine Liste möglicher Funktionserweiterungen.

Personalisierung

Es soll möglich sein, Sucheinstellungen in einem persönlichen Portfolio abzuspeichern, die in weiterer Folge einfach abgerufen werden können. Außerdem haben wir vor, Recherchen dahingehend zu verbessern, indem wir „Sammlungen“ anbieten möchten, in die Benutzer:innen zB Themen-spezifische Entscheidungen der drei Gerichte zusammenstellen können.

Kooperation

Wir möchten aber auch das Thema Kooperation vorantreiben und einen aktiven Austausch zwischen den Benutzer:innen pro Entscheidung oder Sammlung ermöglichen. Dabei soll eine Art Blog-Funktion zu wesentlichen Entscheidungen den Diskurs zu einem bestimmten Thema unterstützen.

Einsatz von AI

Das Thema AI ist aktuell ein Buzzword und auch wir können uns vorstellen, AI-Technologien einzusetzen, um Judikatur-Recherchen noch effizienter zu machen. Mögliche Einsatzgebiete sind:

  • Klassifizierung des Antragsgrunds nach den 5 GFK-Gründen
  • Besserer Umgang mit semantischen Negierungen
  • Ermittlung des Entscheidungsausgang
  • Vergleich des tatsächlichen Entscheidungsausgangs mit einem modell-basierten AI Ausgang

Sortierung

Traditionell werden gefundene Treffer nach Entscheidungsdatum sortiert. Mit der Verwendung der Textfelder kann eine Sortierung nach Relevanz der Treffer aber sinnvoller sein. Eine flexiblere Sortiermöglichkeit soll daher in Zukunft die Benutzer besser unterstützen.

Themensuche

Eine gerichtsübergreifende Themensuche soll die Recherchearbeit vereinfachen und beschleunigen. So könnte zB die Suche nach dem Thema „Dublin 4a“ eine Gesamtdarstellung aller drei Gerichte einen besseren Überblick zu diesem Thema liefern.

Analyse des Verfahrensgangs

Asylverfahren sind immer individuelle Auseinandersetzungen mit den persönlichen Situationen der Beschwerdeführer:innen. Eine Darstellung der Art und Dauer der einzelnen Verfahrensschritte kann ein wesentlicher Bestandteil der Recherchearbeit sein.

Graphische Darstellung/Vergleichende Suchen

Die Ausgabe der Suchergenissen in graphischer Form kann hilfreich sein, Ergebnisse besser darzustellen. So könnte z.B. der Verfahrensausgang zu einem bestimmter Herkunftsland zeitlich analysiert werden und Veränderung sichtbar gemacht werden. Der Asyl-Recht-Navigator soll in Zukunft vergleichende Suchen anbieten. Das folgendes Beispiel zeigt die Ergebnisse von insgesamt sechs Suchen. Pro BVwG Standort wurden die Anzhal der Verfahren für das Herkunftsland Syrien ab dem 01.01.2023 ermittelt. Danach wurden Suchen mit der zusätzlichen Einschränkung im Spruch „Flüchtlingseigenschaft zukommt“ NICHT abgewiesen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden anschließend in Prozent umgerechent.

Stand: 09.06.2024

Aktualität Check

BVwG Entscheidungen zitieren wichtige Quellen wie Länderinformationen der Staatendokumentation, UNHCR oder EASO Dokumente. Häufig werden Text-Passagen aus diesen Dokumenten in den Entscheidungen zitiert, da sie wesentliche Feststellungen zum vorliegenden Fall enthalten. Manchmal sind die zitierten Stellen aber zum Entscheidungsdatum nicht aktuell. Eine Aktualitäts-Check Funktion könnte pro Entscheidung aufrufbar sein und einen Überblick über die zitierten Dokumentenquellen und deren Aktualität zum Entscheidungsdatum liefern.

Datenquelle für den Asyl-Recht-Navigator

Der Asyl-Recht-Navigator extrahiert Gerichtsentscheidungen aus dem RIS, wobei wir die technischen Lösungen der Open Government Data Plattform nutzen. Hinter dem Konzept dieser Plattform steckt die Idee, dass von der Verwaltung gesammelte Daten öffentlich zugänglich gemacht und in maschinenlesbarer Form bereitgestellt werden.
Wir nutzen diese Schnittstellen, um Asylrechts-relevante Entscheidungen des BVwG, sowie des VfGH und des VwGH in unser System zu übertragen. Während des Onboarding-Prozesses bereiten wir die Entscheidungen so auf, dass sie für detaillierte Suchfunktionen zur Verfügung stehen.

Automatisierung

Um die RIS Entscheidungen Tages-aktuell anbieten zu können, wurde das Onboarding der Entscheidungen vollständig automatisert. Die Übertragung und Aufbereitung der Daten erfolgt automatisiert ohne jegliche manuelle Intervention.

Disclaimer

Um die Entscheidungen für den Asyl-Recht-Navigator verwenden zu können, werden u.a. bestimmte Textstellen der Entscheidungen identifiziert und individuell suchbar gemacht. Außerdem ermitteln wir aus den Entscheidungstexten zusätzliche Informationen (zB. Herkunftsland, Anzahl der von einer Entscheidung betroffenen Personen etc.). Diese Datenaufbereitungen stellen uns allerdings vor gewisse Herausforderungen, da Gerichtsentscheidungen nicht zu 100% identisch strukturiert sind. Demnach können wir nicht garantieren, dass die aufbereiteten Daten immer zu korrekten Suchergebnissen führen.

Hier, einige Beispiele, warum es zu Problemen kommen kann.

  • Anonymisierungen (zB Herkunftsländer mit XXX anonymisiert)
  • Tippfehler bzw. inkonsistente Schreibweisen
  • Inkonsistente Aufzählung der Normen
  • Doppelstaatsbürgerschaften bzw. alias Staatsangehörigkeiten
  • Abweichungen von der Dokumentenstruktur (Spruch, vor Verfahrensgang, vor Feststellungen, vor Bewesiwürdigung vor rechtlicher Beurteilung)
  • Unterschieldiche Verfahrensausgänge bei Verfahren mit mehreren Personen
  • Verzögerung der Publikation im RIS
  • Wortabteilungen im Entscheidungstext (Flüchtlingseigenschaft vs. Flüchtlings-eigenschaft)
  • gekürzte Ausfertigungen

Wir tun unser bestes, um das Service 24 Stunden, 365 Tage verfügbar zu machen. Da es sich aber um ein Gratis-Angebot von fairness-asyl handelt, können wir keine Garantie auf eine 100%-ige Verfügbarkeit abgeben.

Wir verstehen, dass der Asyl-Recht-Navigator ein Produkt im Wandel ist. Wir freuen uns daher über Vorschläge und Anregungen und haben ein offenes Ohr für Kritik. Kontaktieren sie uns unter arn@fairness-asyl.at.

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