Parlamentarische Anfrage

Am 18.12.2017 hat die Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS) folgende parlamentarische Anfrage an den Bundesminister für Justiz gerichtet.

Am 18.02.2018 hat das Justizministerium die Anfrage beantwortet und steht hier zum Download bereit.

Und weiter geht’s mit dem Herrn Mahringer. Hier die nächste parlamentarische Anfrage vom 21.03.2018 an den  Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz von  Dr. Stephanie Krisper.

Am 18.05.2018 ist die Antwort des Justizministers auf die 2. Anfrage von Fr Dr Krisper gekommen. Eine interessante Lektüre, die aber leider einige Frage offen lässt.


Anfrage:

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Sachverständige der Fachgruppe Länderkunde (insbesondere Menschenrechte) mit Schwerpunkt Afghanistan

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich in den letzten Monaten erheblich verschlechtert. Der Ausschuss gegen Folter des UN Hochkommissars für Menschenrechte hat zu Beginn des Jahres erneut festgestellt, dass Folter in Afghanistan weitverbreitet und systematisch angewandt wird, darunter auch von den offiziellen afghanischen Sicherheitskräften. Auch der UN-Sicherheitsrat zeigt sich besorgt über die hohe Anzahl an getöteten Zivilisten, Detonationen von Anti-Personenminen und das Wachstum von terroristischen Gruppierungen wie ISIS.[1] Fast 50% des afghanischen Territoriums werden mittlerweile von den Taliban oder anderen bewaffneten Gruppen kontrolliert. Darüber hinaus ist die humanitäre Situation von Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen im Land katastrophal.[2] Die UN Mission in Afghanistan berichtet, dass im ersten Halbjahr 2017 bereits über 5000 Zivilisten getötet oder verletzt wurden, mehr als je zuvor, darunter über 2000 Frauen und Kinder.[3] Laut BMI wurden bis Ende November 2017 dennoch 106 zwangsweise Abschiebungen nach Kabul durchgeführt.

Österreich hat sich außerdem dem Folterverbot verpflichtet, das sich insbesondere in Artikel 7 des Internationalen Paktes über die Bürgerlichen und Politischen Rechte (IPBPR) und Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) findet. Aus dem Folterverbot ergibt sich das NonRefoulement-Gebot, das die Rückführung von Personen in Staaten untersagt, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Dieses ergibt sich auch aus Artikel 3 der UN-Antifolterkonvention (CAT) und Artikel 33 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen (GFK).

Um das Non-Refoulement-Gebot zu wahren, muss in Asylverfahren eine evidenzbasierte Einschätzung der Lage im Herkunftsland des/der Asylwerber_in, in das er/sie abgeschoben werden soll, vorgenommen werden. Eine detaillierte Prüfung der Situation im Land, bzw. eine seriöse und faire Beweiswürdigung ist unerlässlich, um den Anforderungen an ein faires und daher rechtsstaatliches Verfahren gerecht zu werden.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat, als zweite Instanz in Asylverfahren, für die Frage von Gewährung von internationalem Schutz bzw. subsidiären Schutz und Zulässigkeit der Abschiebung den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen. Als Beweismittel kann das BVwG, neben aktueller und relevanter Herkunftslandinformationen, auch Gutachten eines/r Sachverständigen herangezogen werden. Die Qualität des Gutachtens in einem Verfahren, in dem über Abschiebung entschieden wird, ist aufgrund des möglichen Risikos einer Abschiebung in eine Situation, in der Leib und Leben bedroht sein kann, von entsprechend hoher Bedeutung. Eine besondere Verantwortung kommt daher dem BVwG bei der Auswahl von Gutachten als Beweismittel bzw. der Auswahl der Sachverständigen selbst zu.

In Verfahren, die Afghanistan betreffen, zieht das BVwG regelmäßig Gutachten von Karl Mahringer heran. Herr Mahringer ist als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für die Fachgruppe 23 („Länderkunde, insbesondere Menschenrechte“) tätig. Dabei stützt er seine Gutachten, die regelmäßig zu komplett konträren Ansichten zu Berichten von UNHCR und anderen UN-Organisationen,
IOM, EASO und anderen einschlägigen Organisationen stehen, häufig auf selbst durchgeführte Umfragen. Insbesondere verzichtet er konsequent auf die Auseinandersetzung mit relevanten Berichten von Menschenrechtsorganisationen, wie sie auch in der EU-Verfahrensrichtlinie (§ 10 Abs 3 lit b) gefordert wird. Die Gutachten von Herrn Mahringer stehen daher regelmäßig in der inhaltlichen und methodischen Kritik von Experten, die seine Darstellung der Sicherheitssituation als den Tatsachen widersprechend bzw. unrichtig und grob verharmlosend beurteilen. Des Weiteren beruhen die Gutachten, deren Funktion es sein sollte eine aktuelles Bild der Situation vor Ort zu liefern, auf jahrzehntealter Literatur. Teilweise werden sogar Romane als Quellen angeführt.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

  1. Ist dem Ministerium die Kritik an den Gutachten von Herrn Mahringer bekannt?
  2. Welche Personen sind derzeit in der Fachgruppe 23 (Länderkunde, insbesondere Menschenrechte) als Sachverständige mit Schwerpunkt Afghanistan gelistet?
  3. Welche Voraussetzungen müssen Sachverständige erfüllen, um in die Fachgruppe 23 (Länderkunde, insbesondere Menschenrechte) aufgenommen zu werden?
  4. Inwiefern erfüllten diese Personen, insbesondere Herr Mahringer, diese Voraussetzungen?
  5. Inwiefern erfüllt Herr Mahringer insbesondere die gem § 2 Abs 2 Z 1 SDG zwingende Voraussetzung auf eine „zehnjährige, möglichst berufliche Tätigkeit in verantwortlicher Stellung auf dem bestimmten oder einem verwandten Fachgebiet unmittelbar vor der Eintragung” bzw. eine fünfjährige Tätigkeit, weil er “als Berufsvorbildung ein entsprechendes Hochschulstudium oder Studium an einer berufsbildenden höheren Schule erfolgreich abgeschlossen hat“?
  6. Thomas Ruttig (ausgewiesener Afghanistan-Experte und Gutachter und Konsultant für staatliche und nichtstaatliche Institutionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Migrationsfragen; Mitbegründer, Ko-Direktor und Senior Analyst des Afghanistan Analysts Networks) hält zum Gutachten von Herrn Mahringer fest, dass dieses „die Situation nur in Ausschnitten oder zum Teil falsch dar[stellt]“ und dass sich für ihn die Relevanz der verwendeten Literatur (allgemeine landeskundliche – zum Teil aus den 1980er und 1990er Jahren, bis zurück in die 1920er) – populärwissenschaftliche sowie belletristische und sogar Abenteuerliteratur – Werke wie „Mahmud der Bastard”) nicht erschließt. Ist dies dem Ministerium bekannt?
  7. Welche Konsequenzen zieht das Ministerium daraus?
  8. Ist dem Ministerium bekannt, dass laut Ruttig „eine ganze Reihe vom Gutachter aus den Befragungen abgeleiteter Schlussfolgerungen ganz offensichtlich der afghanischen Realität widerspricht, zum Teil sogar diametral“?
  9. Welche Konsequenzen zieht das Ministerium daraus?
  10. Ist dem Ministerium bekannt, dass Angaben eines einzelnen Gutachters, die in komplettem Gegensatz zu Berichten von renommierten internationalen Organisationen wie dem UNHCR, IOM oder EASO stehen (und deren Berichten gem § 10 Abs 3 lit b EU-Verfahrensrichtlinie besonderer Stellenwert zukommt) ein höherer Beweiswert als ebenjenen Berichten eingeräumt wird?
  11. Gibt es Möglichkeiten, die Austragung eines/r Gutachter_in aus der Sachverständigen-Liste zu erwirken, wenn sich deren Expertise als nicht ausreichend bzw. Gutachten als grob fehlerhaft erweisen?
  12. Gibt es aktuell Bestrebungen, die Austragung eines/r Gutachter_in aus der Sachverständigen-Liste zu erwirken, wenn sich deren Expertise als nicht ausreichend bzw. Gutachten als grob fehlerhaft erweisen? Wenn ja, welche?
  13. Ist es im Rahmen von Asylverfahren bereits vorgekommen, dass die Austragung eines/r Gutachter_in aus der Sachverständigen-Liste erwirkt wurde, weil sich deren Expertise als nicht ausreichend bzw. Gutachten als grob fehlerhaft erwiesen? Wenn ja, welche? Bitte um Auflistung nach Fachgruppe.
  14. Inwieweit bestehen Bestrebungen die Qualität der Sachverständigen in der Fachgruppe Länderkunde zu erhöhen, bzw. auf in Zukunft auf Amtssachverständige zurückzugreifen?
  15. Gem §4a SDG hat die Kommission Bewerber vor Eintragung grundsätzlich mündlich zu prüfen.Wenn dies zweckmäßig ist, ist der Bewerber auch schriftlich zu prüfen, wobei ihm insbesondere die Erstattung eines Probegutachtens aufgetragen werden kann. Ist eine solche schriftliche Prüfung bei Herren Mahringer erfolgt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, ist das vorgelegte Probegutachten öffentlich einsehbar?
  16. Weiterhin bestimmt §4a SDG, dass die Prüfungsschritte von der Kommission zu dokumentieren und eine begründete Stellungnahme zu erstatten ist. Was war das Ergebnis dieser Stellungnahme? Ist diese Stellungnahme öffentlich einsehbar?

[1] UNSC Resolution 2344 UN Doc S/Res/2344

[2] Ibid.

[3] OHCHR, „Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict“, Midyear Report (2017).

 

 

 

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