Rechnungshofbericht BfA

Der Rechnungshofbericht über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl greift wichtige Themen auf und kritisiert vor allem den heterogenen Ausbildungsstand des BfA. Ebenso kritisiert der Rechnungshof die Arbeit der Qualitätssicherung und fordert mehr Transparenz und Engagement in diesem Bereich.



Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sollte einen einheitlichen Aus-bildungsstand und –standard sicherstellen und verfahrensführenden Referen-tinnen und Referenten die volle Approbation erst nach Absolvierung des Grundausbildungslehrgangs des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl oder einer Prüfung über die wesentlichen Inhalte erteilen. (TZ22)

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sollte die Aufgaben der Qualitätssicherung im Sinne der Transparenz definieren und entsprechend dem damit verbundenen Arbeitsaufwand die Ressourcen einsetzen. (TZ27 )

Ich stimme dem zu, vermisse aber die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen schlecht ausgebildeter Referenten in Kombination mit ineffizienter Qualitätssicherung. Denn genau hier liegt die Crux der Sache.

Das BfA hatte in 2014 einen Personalstand von 483,1 VBÄ (Vollbeschäftigungsäquivalent). Dem rapiden Anstieg der Asylanträgen in 2015/16 musste natürlich mit mehr Personal begegnet werden. Man hat aber während dieser Zeit auf eine solide Ausbildung verzichtet. Der Rechnungshofbericht dazu:

Vor März 2016 gab es keine zentral organisierten Ausbildungslehrgänge für neue verfahrensführende Bedienstete. Laut Angaben des BFA erfolgte die Ausbildung –neben dem jährlichen BFA Fortbildungsprogramm– praktisch durch die jeweilige Teamleitung bzw. durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen.

Damit scheint klar, dass das primäre Ziel des BfA die schnelle Abarbeitung der Anträge war. Es entsteht der Eindruck, dass man das BVwG als Reparaturwerkstatt gesehen hat und mit schlecht geschultem Personal und einem minderwertigen Qualitätsstandard versucht hat die Anträge so schnell wie möglich an die zweite Instanz weiterzureichen.

Genau das sehen wir auch in der sogenannten Fehlerquote des BfA.
Folgende Grafik zeigt die Darstellung der BVwG Entscheidungen aus den Tätigkeitsberichten des BVwG zwischen 2016 und 2018.

Zunächst fällt auf wie detailliert die Entscheidungen in 2016 dargestellt wurden und ab 2017 in bestätigte, aufgehobene und sonstige Entscheidungen zusammengefasst wurden. Transparent geht anders.

Nimmt man die Kategorien der abgeänderten und aufgehobenen Entscheidungen (Stattgebungen der Beschwerde, Behebungen der Entscheidung, Zurückverweisungen sowie rechtswidrige Feststellungen) aus dem Jahr 2016 zusammen, so erhält man eine Fehlerquote von 46,98% für das Jahr 2016. Der Grund scheint auf der Hand zu liegen – keine ausreichende Schulung! Erschreckend wenn man bedenkt, dass es doch um den hochsensiblen Bereich der Menschenrechte geht!

Der Bericht geht weiter:

Im März 2016 begann das BFA mit einer strukturierten einmonatigen Ausbildung, die insgesamt 54 Bedienstete der Regionaldirektionen Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien sowie der Erstaufnahmestelle West absolvierten.

Man hat also zu diesem Zeitpunkt etwa 700+ Mitarbeiter und reagiert auf die mangelnde Ausbildung indem man 54 Bedienstete in einen einmonatigen Kurs schickt!

Gar so erfolgreich dürfte dieser Ansatz aber nicht gewesen sein, da man im April 2016 mit einem viermonatigen Ausbildungsprogramm begonnen hat.

Mit April 2016 führte das BFA eine viermonatige Grundausbildung ein. Bis März 2018 absolvierten 235 Bedienstete diesen Lehrgang. Im BFA lag somit kein einheitlicher Ausbildungsstandard und –stand vor. In Verbindung mit fehlenden rechtlichen Vorkenntnissen der verfahrensführenden Referentinnen und Referenten, dem breiten Aufgabenbereich und möglichen Grundrechtseingriffen war somit eine einheitliche Qualität der Entscheidungen (bspw. Begründungen in Asylbescheiden) nicht ausreichend gewährleistet.

Wenn ich diese Zahlen richtig lese, so hat das BfA in 2018 1.306,1 VBÄ beschäftigt und insgesamt haben 235 Bedienstete den genannten Lehrgang absolviert. Natürlich bearbeitet nicht jeder BfA Bedienstete Asylverfahren und es gibt sicherlich einen beträchtlichen Anteil an Verwaltungsaufgaben o.ä. Aber dem Anstieg an Bediensteten zwischen 2016 und 2018 von 800 Mitarbeitern mit nur 235 geschulten Personen zu begegnen scheint mutig.

Es geht aber noch besser:

27 Personen besuchten noch keinen der Ausbildungslehrgänge, wobei das BFA 20 von diesen bereits die volle Approbation erteilte.

Aus dem Rechnungshofbericht geht nicht hervor, ob diese 20 Personen die Matura mit Auszeichnung bestanden haben oder sonst irgendwelche Vorkenntnisse gehabt hätten, aber vor der anhaltenden Kritik der minderwertigen Qualität des BfA scheint es ein Hohn zu sein eine Approbation vor dem Besuch des Lehrgangs zu erteilen.

Die Ausbildung der BfA Case Owner war auch Thema einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Nov 2017. Der damalige Innenminister Sobotka hat diese u.a. folgendermaßen beantwortet.

Neu aufgenommene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im Rahmen eines viermonatigen Grundausbildungslehrganges geschult. Dabei werden sämtliche asyl-und fremdenrechtlich relevanten Inhalte gelehrt.

Die Beantwortung geht in weiterer Folge noch auf das Mentoring neuer Mitarbeiter ein. Der Eindruck, dass alle neuen Mitarbeiter den viermonatigen Lehrgang absolvieren müssen scheint aber eine etwas zu positive Darstellung gewesen zu sein.

Mit Stand 1.Februar 2018 hatte das BFA 417 der 481 verfahrensführenden Referentinnen und Referenten die volle Approbation erteilt. 87% der Case Owner verfügten somit über die Berechtigung, selbstständig Verfahren zu führen. Einen der beiden strukturierten Ausbildungslehrgänge hatten insgesamt aber nur 289 verfahrensführende Referentinnen und Referenten absolviert. Das BFA erklärte die Differenz damit, dass Bedienstete, die bereits vor dem Start der Ausbildungslehrgänge die Approbation erhalten hatten, diese nicht nachholen mussten.

Der Rechnungshofbericht kritisiert zu Recht den unterschiedlichen Ausbildungsstand und bemängelt auch die Ausrichtung der Lehrgänge.

Außerdem hielt der RH kritisch fest, dass der BFA–Grundausbildungslehrgang zur Zeit der Gebarungsüberprüfung stark auf die Vermittlung von Asylrecht fokussiert war. Dies stand im Spannungsverhältnis zu der vom BFA angestrebten Neuausrichtung auf die Aufgabenfelder Fremdenrecht und Rückkehr, da ohne entsprechende Ausbildung eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Fälle nicht sichergestellt war.

Das Wort Neuausrichtung kann man durchaus mit den Fokus auf Aberkennungen und Rückführungen interpretieren. Denn man hat damit begonnen diesen Bereich zu bearbeiten ohne den Bediensteten dazu eine entsprechende Ausbildung zukommen zu lassen! Abermals zeigt sich das BfA als Elefant im Porzellanladen.

Wo der Rechnungshofbericht aber an Kritik spart ist der hohe Personalstand des BfA.

In 2014 gab es 28.027 Asylanträge und 483,1 VBÄ beim BfA.
In 2018 gab es 13.400 Asylanträge und 1.306,1 VBÄ beim BfA.

Klar wurden neue Aufgaben von der Politik dem BfA zugewiesen und ein Teil des hohen Personalstandes kann damit argumentiert werden. Der Überhang scheint allerdings überwältigend. Es wäre allerdings schon auch die Aufgabe des Rechnungshofs die Sinnhaftigkeit dieser politischen Vorgaben zu hinterfragen.

Bis zum Jahr 2020 waren keine Maßnahmen zum Personalabbau geplant, da laut BFA auch bei geänderten Rahmenbedingungen von 26.500 bis 29.000 Asylanträgen pro Jahr auszugehen sei und die Ermittlungsverfahren zur Bescheiderstellung aufwendiger würden. Für die Zeit danach argumentierte das BFA, dass man das Personal bei Bedarf innerhalb des Ministeriums verschieben könne. Darüber hinaus plante das Ministerium laut eigenen Angaben, in den Jahren 2020 bis 2022 je 50 Planstellen im BFA einzusparen .

Moment! Wir haben lt. BMI Statistik vom Jänner bis Oktober 2019 10.301 Asylanträge gezählt. Für die restlichen beiden Monate kann man etwa 2.000 Antrage hinzuzählen und es werden voraussichtlich insgesamt etwa 12.000 Anträge in 2019 sein. Wie des BfA auf geschätzte 26.500 bis 29.000 Asylanträge kommt ist unklar.

Damit stellt sich aber auch die Frage des hohen Personalstand. Ja wozu benötigen wir denn die etwa 1.400 Bediensteten, wenn wir in 2014 mehr als doppelt so viele Anträge mit etwa einem Drittel der Mitarbeiter bearbeitet haben. Natürlich gibt es fremdenrechtliche Agenden die sich weit über die Antragstellungen hinausziehen.

Was wir aber gerade erleben ist ein institutionalisiertes Sekkierertum des BfA.

Besonders die Einleitungen von Aberkennungen scheint derzeit die Hauptaufgabe zu sein. Ex-Bundesminister Kickl hat es so gewollt und Bundesminister Peschorn hat nichts daran geändert.

Laut parlamentarische Anfragebeantwortung 4024/AB wurden von Jän – Jul 2019 3.042 Asylaberkennungen eingeleitet. Davon wurden lediglich 887 Aberkennungen durchgeführt. Man hat also über 60% der Arbeit in Fälle investiert, die in weiterer Folge nicht zu einem Aberkennungsbescheid geführt haben. Weil es Ex-Minister Kickl und jetzt-Minister Peschorn so wollen?

Bei den Aberkennungen von subsidiären Schutz sind es zwar nur etwa 50% (1.883 eingeleitet vs 917 aberkannt), aber immerhin. Die Hälfte der Bediensteten könnten genausogut Karten spielen und man würde sich Geld ersparen.

Viel Geld wahrscheinlich. Denn die Aberkennungen der ersten 7 Monate in 2019 (887 x Asyl und 917 sub. Schutz = 1.807) werden voraussichtlich eine Beschwerde beim BVwG einlegen. Dafür wird es Rechtsberatung benötigen, die nach EU Richtlinie zur Verfügung zu stellen ist. Rechnet man mit einem Satz von € 400,- so kommt man auf € 721.600,- it parlamentarische Anfragebeantwortung 3616/AB kostet ein Verfahren am BVwG etwa 1.800,- Für die 1.807 eingeleiteten Aberkennungen also € 3.252.600,- Wie hoch die Fehlerquote sein wird ist noch unklar, da derzeit noch nicht sehr viele Aberkennungen verhandelt wurden bzw. noch nicht im RIS verfügbar sind. Man kann aber mit einer durchaus höheren Hebequote rechnen, da für eine Asylaberkennung schon sehr gewichtige Gründe ins Treffen geführt werden müssen. Diese Zahlen sind aber nur ein erster Ausblick auf die heranrollende Lawine der Aberkennungen.

Für Aberkennungen von sub. Schutz wird die Sache spannender. Der VwGH bereitet seit einigen Monaten die Judikatur dafür vor.

Das alles vor dem Hintergrund der bereits entstandenen Kosten durch das BfA. Im gerade erschienen profil Artikel „Hart aber teuer“ zeige ich die Kosten der 42% Fehlerquote auf. Die Rechnung basiert nicht auf Schätzung, sondern nimmt die Aussagen des Tätigkeitsberichts des BVwG, den Wahrnehmungsbericht des Justizministers Jabloner, sowie parlamentarische Anfragebeantwortungen als Basis des Zahlenmaterials.





Quellen:
Anzahl der entschiedenen BVwG Verfahren: Parlamentarische Anfragebeantwortung 3616/AB
Hebequote BfA: Parlamentarische Anfragebeantwortung 3186/AB-BR/2018 Frage 2
Hebequote BfA: Parlamentarische Anfragebeantwortung 3649/J-BR/2019
Hebequote BfA: Tätigkeitsbericht des BVwG 2018; Seite 29
Kosten BVwG Verfahren: Parlamentarische Anfragebeantwortung 3616/AB; Frage 13
Dauer BVwG Verfahren: Wahrnehumgsbericht Minister Dr Clemens Jabloner
Kosten Grundversorgung: https://www.addendum.org/asyl/was-die-asylkrise-wirklich-kostet/

Es ist sicherlich unsinnig eine 0% Fehlerquote in dem Bereich Fremdenwesen und Asyl zu erwarten. Um sachlich zu argumentieren muss man diesen Wert auf eine realistische und akzeptable Fehlerquote reduzieren. Aber selbst bei einer Halbierung auf 21% kosten uns die mangelhaften BfA Entscheidungen noch immer über € 50 Mio – und eine Menge an rechtsstaatlichem und menschrechtlichem Ansehen.

Nicht eingerechnet sind die Kosten eines verzögerten Arbeitsmarkeintritts von 17 Monaten. Mit der durchschnittlich 17-Monate Wartezeit ergibt sich ja auch eine verzögerte volkswirtschaftliche Leistungserbringung der 8.274 Personen. Wie hoch diese Zahlen sind kann ich nicht sagen.

Die enorme Belastung des BVwG muss auch vor dem Hintergrund nicht Asyl-relevanter Fälle gesehen werden. Was eine solche Verzögerung in den anderen Kammern (zB Wirtschaft, Soziales etc.) bedeutet kann ich nicht sagen. Was es für eine psychische Belastung für die Richter*innen des BVwG sein muss kann ich mir erst gar nicht vorstellen.

Als Lösungsvorschlag sehe ich daher eine dringend nötige drastische Verbesserung der Qualität der 1. Instanz. Unabhängige Rechtsberatung ab dem ersten Tag, höchste Qualitätskriterien bei Gutachtern und Dolmetschern, vertiefende Schulungen der Referenten und Richter in heiklen Themengebieten wie Konversion, Homosexualität, verbesserte Kontrolle durch unabhängige Institutionen, aktives Qualitätsmanagement usw. Diese Maßnahmen können durch die Sparmaßnahmen recht einfach finanziert werden.

Die geplante BBU lässt auf keine wirkliche Lösung hoffen. Die gesteckten Ziele der BBU verfehlen die rechtsstaatlichen Verpflichtungen Österreichs. Der wissentliche Einsatz von zu wenig geschulten Bediensteten lässt eine Kultur des „des BVwG wird’s scho richten“ erkennen. Mangelnde Qualitätssicherung und fehlende Verbesserungen bestätigen diesen Eindruck.

Man betrachte die Aussagen der moralischen und rechtlichen Instanzen Österreichs zur geplanten BBU die vom Nationalrat ignoriert wurden und der im Mai 2019 das Gesetz auf den Weg gebracht hat.

Vor dem Hintergrund des Rechnungshofberichts und den massiven Kosten ist klar, dass dieser Weg der falsche ist. Die politische Vision der Schnell-schnell Verfahren, Forcierung von Aberkennungen und Rückführungen kostet. Sie kostet Geld und Menschenrechte. Wir sollten nicht bereit sein diesen Preis zu bezahlen.

Über all dem steht aber auch die Missachtung der menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verpflichtung Österreichs. Ziel muss es sein die Verfahren schneller, rechtsstaatlicher und fairer zu gestalten. Mit BfA und BBU scheint dieses Ziel nicht erreichbar zu sein.


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