Straßen in gutem Zustand

 

Der Antrag eines minderjährigen Aslywerbers aus der Provinz Ghazni wurde abgelehnt, u.a. mit der Begründung, er könne nach Ghazni (! – Ghazni gehört laut der UNO Generalversammlung von 2016 zu den instabilsten Provinzen des Landes) zurückkehren , und erklärt dann ausführlich warum:

„Was die Erreichbarkeit Ihrer Heimatprovinz angeht sei auf die ho. vorliegenden Länderfeststellung verwiesen, nämlich: Der Highway One liegt im Süden von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015; vgl. AlJazeera 14.10.2015). Der Kandahar-Kabul Teil der afghanischen Ring Road zieht sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni (ISW o.D.) Dieser Teil der Autobahn ist praktisch flach, mit einigen Abschnitten im Hochland in der Nähe von Ghazni (Global Security o.D.) Ein Fahrer der Kabul-Kandahar Strecke, aber auch Passagiere, gaben an, dass die Straße von Kandahar bis in die Gegend von Jaldalak in Zabul in gutem Zustand ist (Pahjwok 18.3.2015)“

Na, dann steht eine Rückkehr nach Ghazni nichts im Wege! Dass die Taliban Reisende aufhält und sie anschließend entführt oder tötet, sodass der einzige sichere Transportmittel das Flugzeug ist, ist wohl ein unwichitgies Detail verglichen mit der physischen Existenz einer Straße, die 2015 noch im guten Zustand war.

Allerdings war laut eigenen Angaben des straßenkundigen Referenten schon 2015 die Straße in Ghazni selbst NICHT in einem guten Zustand. Aber das scheint auch ein unwichtiges Detail zu sein.

 

 

Was

5 Kinder pro afghanische Frau

 

„Die Angaben, dass Ihre Mutter nur zwei Geschwister hätte […] und Ihr verschollener Vater […] ein Einzelkind wäre, ist unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Geburtenrate von mehr als fünf Kindern pro afghanischer Frau, und dies selbst noch im Jahre 2013 (CIA factbook Afghanistan) zumindest auffallend. Es steht daher die Möglichkeit einer bewusst verzerrten Darstellung der sozial/familiären Einbettung zum Zwecke einer erfolgsversprechenderen Asylgewährung deutlich im Raum.“

Dies ist eine Unterstellung. Genauso könnte man argumentieren, dass eine österreischische Familie mit mehr als 1.8 Kindern die sozial/familiäre Einbettung zum Zwecke einer erhöhten Kinderbeihilfe bewusst verzerre. Der/die Referent/in hat außer der reinen Statistik keine Anhaltspunkte dafür, dass der Asylwerber nicht aus einer Kleinfamilie stammt.

Unvoreingenommen…..von wegen!

 
Sie sind als Person unglaubwürdig, weil Sie behaupteten, es wurde Ihnen bei der Erstbefragung gesagt, Ihre Fluchtgründe nur kurz anzugeben.“…..
Allerdings war es zu erwarten, dass Sie genauso verfahren werden, da die meisten afghanischen Asylwerber lügen und behaupten, Sie hätten bei der Erstbefragung nicht angeben können, warum Sie das Land verlassen haben.
Soviel – schwarz auf weiß – zur Unvoreingenommenheit des Referenten!
Bei der polizeilichen Erstbefragung, anhand derer dann beschlossen wird, ob ein Asylverfahren eingeleitet wird, wird gegen Ende die Frage nach dem Fluchtgrund gestellt – mit Verweis darauf, dass die Befragung sich explizit nicht auf die näheren Fluchtgründe beziehen soll! Theoretisch sollten die 6 „W“s beantwortet werden – was aber ich aber noch bei keinem einzigen Protokoll (aus dem Jahr 2015) gefunden habe. Der Zeitdruck und das Wissen um die später folgende genaue Abhandlung im inhaltlichen Verfahren hat die Polizeibeamten und Dolmetscher damals veranlasst den Redefluss der Asylwerber zu stoppen…..

Wie alt sind Sie?

 

„…. Auch die Tatsache, dass Sie bei der polizeilichen Erstbefragung angaben, am 1.1.1992 geboren worden zu seien, und nicht das Geburtsdatum, welches auf Ihrem Reisepass festgehalten ist, angegeben haben, bringt deutlich zum Ausdruck, dass Sie der Behörde etwas verheimlichen wollen, andernfalls hätten Sie …. dieses Geburtsdatum angegeben.“

Bei der Erstbefragung wurde der Asylwerber lediglich gefragt, wie alt er sei und daraufhin wurde der 1.1.1992 als Geburtsdatum eingetragen. Das ist  gängiger Usus bei Afghanen, allerdings in diesem Fall wohl klar ein Ermittlungsfehler der Behörden und keinesfalls dem Asylwerber anzukreiden.

Oder hätte er diese Frage in Jahren, Tagen, Stunden, Minuten usw. beantworten sollen?

 

Autofahrende Mütter in Afghanistan!

 

Unglaubwürdigkeiten zu finden bzw. – viel öfter – zu konstruieren ist oft die einzige Möglichkeit für die unter Druck stehenden Beamten des BFA der Order Afghanen negativ zu bescheiden nachkommen zu können. Das ist aber keine leichte Aufgabe, wenn trotz geschickter Verhörtechnik dem Asylwerber keine „Fehler“ passieren….Die Feststellungen dazu sind daher immer mehr an den Haaren herbeigezogen oder werden krampfhaft konstruiert…..

„Völlig vage erzählten Sie, das man nur Sie aus dem Auto geholt hätte. Ist Ihre Mutter dann weitergefahren? In Afghanistan eher nicht vorstellbar, dass Frauen auf dem Land Auto fahren. „

In der Einvernahme erzählte der Asylwerber, dass er für die Mutter Medikamente holen musste und deshalb mit dem Auto unterwegs war. Völlig unverständlich, warum der Beamte die Mutter ins Auto setzt, die natürlich nicht dabei war bei der gefährlichen Fahrt.

Aber es geht ja nicht um die Glaubwürdigkeit des Beamten…..

Schulpflicht

 

Aus dem negativen Asylbescheid einer Gymnasialschülerin:

„Sie haben den Besuch eines Deutschkurses angeführt, weitere Besuche von Veranstaltungen, Kursen etc. haben Sie nicht erwähnt auch haben Sie diesbezüglich keine Dokumente in Vorlage gebracht.“ 

 

Fallverwechslung? Irren ist menschlich, auch bei BFA Beamten!

 

Wer hätte nicht gerne auch so einen Onkel?

„Sie verfügen auch weiterhin über familiäre Bindungen in Afghanistan in Gestalt Ihrer Mutter, Ihrer Frau, Ihrer Tochter sowie Ihres Onkels und dessen Familie. Die finanzielle Situation bezeichnen Sie zwar als eine schlechte, geben aber an, dass Ihre Familie über Grundbesitz verfügen würde und Ihr Onkel Ihre Mutter, Ihre Frau und Ihre Tochter unterstützen würde.Es ist der Behörde nicht ersichtlich, wieso Ihr Onkel nicht auch Sie, zumindest in der ersten Zeit nach Ihrer Rückkehr, finanziell unterstützen könnte. diese Unterstützung kann durchaus auch über Bankverbindungen von Ghazni aus erfolgen.“

Ein Textbaustein aus einem anderen negativen Bescheid soll helfen,  disen negativen Bescheid zu rechtfertigen. Nur handelt es sich bei diesem Asylwerber um einen ledigen Mann, der weder Frau noch Tochter hat. Es wurde auch nie ein Onkel erwähnt.  Aber der Asylwerber kommt immerhin aus Ghazni, die finanzielle Situation ist schlecht und sein Vater hätte einen kleinen Grundbesitz, wenn dieser nicht in den Händen der Taliban wäre. Da soll man nicht kleinlich sein….

 

Formulieren „leicht gemacht“

 

Theoretisch behandelt das BFA jeden Asylantrag als Einzelfall und begründet einen negativen Bescheid unter Berücksichtigung der einzelnen Umstände. In der Tat jedoch kommt es immer wieder zur Verwendung von sogenannten „Textbausteine“, wo ein Referent Zeilen, oder sogar ganze Paragraphen aus anderen negativen Bescheiden anwendet.  Folgender Textbaustein ist ein absoluter Liebling der Beamten und wird sogar in den Bescheiden von Konvertiten angewendet. Er passt einfach immer!

„Zu bemerken ist übrigens weiters, dass die islamische Glaubensgemeinschaft in aller Welt grundsätzlich bestrebt ist, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, was auch für Afghanistan Gültigkeit hat. Da sich praktisch der gesamte afghanische Staat – sowohl Befürworter als auch Gegner der derzeitigen Regierung – über islamische Traditionen und Regel definiert, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Schutzsuchende, sofern sie den Wunsch auf Unterstützung in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen entsprechend formulieren, auch Gehör und Hilfe bei der Neu- oder Wiederansiedlung in Kabul erfahren. Es kann somit selbst dann, wenn Sie über keine Netzwerke in Afghanistan verfügen sollten, nicht erkannt werden, dass Sie in Kabul schutz- und hilflos wären, sodass die IFA in Kabul als nicht zumutbar und somit als nicht tauglich festgestellt werden müsste.“

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit finden alle – inklusive Befürworter und Gegner der derzeitigen Regierung – Schutz, Unterkunft und Hilfe durch die Moschee.

 

 

 

Keine Sorge – familiäres Auffangbecken für alle Volksgruppen vorhanden!

 

In drei uns vorliegenden Bescheiden fand sich fast wortgleich folgender Absatz (inklusive Rechtschreibfehler). Die Volksgruppe wurde nach Bedarf angepasst. Wir sehen also, die Einzelfallprüfung funktioniert einwandfrei.

„Auch wenn in Ihrem Fall und in Zusammenhang mit Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit nicht eine Art Ehrenkodex wie bei den Paschtunen festzustellen ist, der die Übernahme einer sowohl ideellen als auch physischen Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre vorsieht, so liegt es dennoch im grundlegendsten Interesse sämtlicher in Afghanistan existierenden Volksgruppen, unter die auch die der Hazara/Qizilbasch [hier lässt sich anscheinend jede beliebige Volksgruppe einsetzen]  fällt, Ihre Mitglieder zu schützen und selbstverständlich auch im Falle der Rückkehr zu unterstützen. Es ist deshalb schon von vorneherein in Ihrem Fall davon auszugehen ist, dass Sie mit einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt würden, umso mehr Sie im „Auffangbecken“ der Volksgruppe landend entsprechende Unterstützung erwarten dürfen. Die zu erwartende Unterstützung durch die in Kabul ansässigen Führungspersönlichkeiten der Hazara/Qizilbasch  [hier auch beliebig einsetzbar] und der existierenden Stammes- und Volksgruppenstrukturen ist mit dem familiären Netzwerk in seinem klassischen Sinn mehr als zu vergleichen und lässt sich demnach auch daraus ableiten, dass Sie selbst dann, wenn Sie tatsächlich keine (nahen) Verwandten in Afghanistan haben sollten, nicht vor eine ausweglose Lage im Falle der Rückkehr gestellt wären.“

UNHCR „verdrehen“

 

Erwähne UNHCR und konstruiere komplizierte Schachtelsätze – deine Kollegen am BFA werden es begeistert kopieren und in ihre Bescheide einfügen – egal ob es zum Fall passt! In 2 Bescheiden von allein geflüchteten Männern – davon nur einer ein Hazara… – gefunden

Wie sich den Anmerkungen von UNHCR auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren aus Dezember 2016 zur Situation in Afghanistan entnehmen lässt, sind es ausschließlich Familien, die der ethnischen Gruppe der Hazara angehören und die aufgrund ihrer ethnischen bzw. Stammeszugehörigkeit und der damit oft verbundenen Unterstützung in Bamiyan Zuflucht finden konnten. Schon aus dieser Anmerkung von UNHCR wird klar ersichtlich, dass in Afghanistan sehr wohl Loyalität und Unterstützungswille innerhalb der ethnischen Gruppen existiert, demnach auch eine ausweglose und unzumutbar Lage im Falle Ihrer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, umso mehr auch Sie mit dieser Loyalität rechnen dürfen.