Sommergespräch HC 27.08.2018

Unser Vize-Kanzler nimmt im Sommergespräch zur Entscheidung der Abschaffung der Lehre für Asylwerber Stellung. Und er tut das in gewohnter Manier, indem er verzerrt, Dinge vermischt und den Eindruck erzeugt, dass die Asylwerber uns die Arbeit wegnehmen.
Ich hoffe ihr sitzt bequem!

 

Fakt 1: „Warum, Herr Vizekanzler, insinuieren sie da, dass jemanden was weggenommen wird“? In seiner Antwort spricht Strache dann von Realität und konkreten Zahlen. Er vermeidet aber anzusprechen, dass Asylwerber nur dann eine Stelle als Lehrling bekommen, wenn das AMS zuerst geprüft hat, dass auch wirklich ja kein Österreicher oder EU-Bürger die Stelle besetzen kann. Hier geht es überhaupt nicht um ein Wegnehmen von Arbeitsplätzen, es geht um die Schaffung einer win-win Situation. Seine genannten 60.000 Mindestlohnbezieher unter 25 können sich um die offenen Stellen jederzeit bewerben und werden sie auch bekommen. Kein einziger Job wird hier irgendjemanden weggenommen.

Fakt 2: Es geht eigentlich nicht um den Erlass der zu reparieren ist. Es geht im Grunde genommen um § 4 Abs. 1 Z 1 AuslBG, das erst durch den Erlass des ehemaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf die kontingentierte Saison- und Erntearbeit beschränkt wurde. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz sieht ganz klar vor, dass auch Asylwerbern 3 Monate nach der Zulassung zum Verfahren eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen ist. Wenn Herr Strache auf Rechtsstaatlichkeit pocht, dann sollte man von einem Vize-Kanzler erwarten, dass auch er die geltenden Gesetze achtet und hochhält.

Fakt 3: Er sagt, dass es nicht sein kann, dass ein Asylwerber während seines Verfahrens eine Lehrstelle annehmen kann, wenn der Ausgang seines Verfahrens ungewiss ist. Der Erlass aus dem Jahr 2012 gibt uns u.a. aber auch folgende Überlegung mit „… für die Dauer ihres Asylverfahrens eine Ausbildung und eine sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen, die später – auch bei negativem Verfahrensausgang – anderswo nutzbringend eingesetzt werden kann.“ Aber nutzbringende Ausbildung, auch bei einem negativen Ausgang, ist für unseren Vize eben nicht erstrebenswert.

Fakt 4: Die Vorgabe des Zugangs von Asylwerbern zum Arbeitsmarkt ist eine EU Vorgabe. EU-Richtlinie 2003/9 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern gibt hier den Mitgliedsstaaten einen (m.E. zu) freien Spielraum. Die Kommission schlägt allerdings vor, dass Asylwerbern nach einem Zeitraum von höchstens sechs Monaten nach Beantragung von internationalem Schutz Zugang zur Beschäftigung gewährt werden. Außerdem warnt Brüssel davor, dass die Festlegung nationaler Arbeitsmarktbedingungen den tatsächlichen Zugang von Asylwerbern zur Beschäftigung nicht in unangemessener Weise beschränken darf. Es soll gewährleistet werden, dass Asylwerbern faire Chancen auf Zugang zur Beschäftigung in den Mitgliedstaaten geboten werden.

Fakt 5: So nebenbei streut Strache dann eine Maßnahme der Regierung ein, dass es einen Außengrenzschutz geben wird. Was das mit den Lehrberufen in Österreich zu tun hat, erschließt sich mir nur insofern, als unser Vize hier abermals das Thema Sicherheit bemüht, um eine gesteigerte Bedrohung an die Wand zu malen. Das Thema zieht und HC weiß genau was er mit der Nennung des Außengrenzschutzes tut.

Fakt 6: Strache meint, dass wenn jemand einen ablehnenden Bescheid von der unabhängigen Justiz erhält, dann muss, im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, klar sein, dass er unser Land verlassen muss. Dem hätte ich vor drei Jahren voll und ganz zugestimmt. In der Zwischenzeit habe ich aber Einblick in diesen Teil der österreichischen Rechtsstaatlichkeit bekommen und mein Vertrauen ist geschwunden. Ich verweise u.a. auf meine Website www.fairness-asyl.at.

Fakt 7: Ich freue mich sehr zu hören, dass die Regierung prüfen wird, ob den jetzigen Asylwerbern erlaubt wird die Lehre, auch bei einem potentiellen negativem Entscheid, fertig machen zu lassen. Ich fordere aber mehr, nämlich auch ein Aufenthaltsrecht von etwa 2 Jahren nach Beendigung der Lehrzeit. Der Anreiz an die Betriebe kann ja nicht sein die Leute unter teils hohen Kosten auszubilden und danach sofort zu verlieren. Den Unternehmen muss doch auch entgegengekommen werden und die Leistung der Ausbildung honoriert werden. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich sonst verarscht fühlen.

Fakt 8: Der Kanzler malt die rechtliche Prüfung eines Aufenthaltsrechts für jene 1.000 Lehrlinge als immensen Aufwand und komplexes Prozedere an die Wand. Ich kann ihn beruhigen. Österreich kann jederzeit den Asylwerbern ein Aufenthaltsrecht gewähren.

Fakt 9: Das erschlichene Hintertürl bereitet dem Vize-Kanzler ein Problem. Er sieht darin eine Umgehung des Rechtsstaates. Dass Recht auf Arbeit allerdings ein Menschnrecht ist, übersieht er dabei. Dass die EU Kommission anregt mehr in diesem Bereich zu tun verschweigt er. Dass die Leute extrem frustriert sind, weil es so schwer oder umöglich ist eine Arbeit während der, viel zu langen, Asylverfahren zu bekommen, erwähnt er nicht. Insgesamt geht es um etwa 1.000 Asylwerber, in Wien gibt es ca 50 Asylwerber die eine Lehrstelle bekleiden, in Burgendland 6.
Das Hintertürl ist verdammt klein Herr Strache.

Fakt 10: Dem Vizekanzler stößt auf, dass es oftmals Asylwerber sind, die in erster Instanz einen negativen Bescheid erhalten haben, die hier für Österreich arbeiten. Er meint, dass die Chancen, dass das positiv ausgeht nicht groß sind. Ich darf an dieser Stelle den Leiter des BfA zitieren, der uns vor wenigen Monaten beruhigen wollte, indem er meinte, dass nicht 46% der BfA Bescheide falsch sind, sondern lediglich 42%. Meine RIS Analyse https://www.fairness-asyl.at/ris-datenanlyse/ wurde ja im profil https://www.profil.at/…/fehlerquote-asylbescheide-asyl-afgh… publiziert und kann die Aussage des obersten BfA Mannes bestätigen. Also, Herr Strache, die Chancen stehen eigentlich recht gut, auch wenn wir zu oft obskure Bescheide aus 1. Instanz lesen müssen. Einige gehen medial dann ja sogar um die ganze Welt.

Fakt 11: Ich begrüße den Ansatz die Verfahren zu beschleunigen. Sie dauern tatsächlich viel zu lange und stellen dadurch eine massive Behinderung der Asylwerber in ihrem Lebensweg dar. Ich habe allerdings auch Bedenken. Die jetzigen Verfahren weisen zu viele Mängel auf und eine objektive Auseinandersetzung mit dem Mensch Asylwerber ist nicht immer gegeben. Nicht immer wird den Asylwerbern eine faire Chance geboten ihre Verfolgung darzustellen. Zu oft werden sie durch das System gezogen und ihnen ihr Recht genommen. Die Einstellung der Regierung zu diesem Thema ist klar – es gilt genau hinzuschauen, um zu sehen was hier entstehen soll.

Fakt 12: Die Angst vor der Aushebelung des Rechtsstaates sitzt dem Kanzler eng am Herzen. Wen wundert es also, wenn er anspricht, dass sich hier einige Asylwerber, durch einen Lehrberuf, gute Integration, Mitgliedschaften bei Vereinen usw. sich ein Bleiberecht erschwindeln wollen.
Allerdings vergisst er anzumerken, dass der Staat Österreich genau diese, und viele andere, Asylwerber beschwindelt. Unsere verfassungsrechtliche Verpflichtung, Menschen internationalen Schutz zu gewähren, möchte ich dabei erst gar nicht strapazieren. Was ich aber anmerken möchte ist die Tatsache, dass es sich bei diesem Thema hauptsächlich um junge Afghanen handelt. Sie kommen aus einem Land, das sich laut UN im Krieg befindet, in dem sich die Sicherheitslage in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert hat, von wo wir wöchentlich Horrormeldungen auf unseren Bildschirmen sehen, wo die UNHCR eine Präsentation in Wien abgehalten hat und vor Abschiebungen gewarnt hat. Aber was tun wir, wir steigern die Anzahl der Ablehnungen und Abschiebungen.
„Die Aushebelung des Rechtsstaates durch Arbeit“ versus die „Aushebelung der Menschenrechte durch ein unfaires Asylverfahren“. Mir scheint die Prioritäten sind bei Herrn Strache nicht wohl gesetzt.

Fakt 13: „Man muss sich verlassen können auf Rechtsstaatlichkeit – da muss man konsequent sein“.So sehe ich das auch! Gerne zeige ich dem Vize-Kanzler wo es überall in diesen Asyl-Verfahren happert. Gerne leuchte ich nicht nur mit einer kleinen Taschenlampe auf die einzelnen problematische Bereiche der Asylverfahren, sondern drehe das Bühnenlicht ganz auf. Dem Vize-Kanzler ist ja sehr daran gelegen die Rechtsstaatlichkeit hochzuhalten. Ich freu mich auf seine Einladung.

Fakt 14: Mir schaudert es wenn diese Regierung die Rot-Weiss-Rot Karte „optimieren“ möchte. Man muss gespannt diese Evaluierungen beobachten, denn eines hat diese Regierung bisher nicht getan. Nämlich fehlgeleitete Beamte, die sich im Bereich des Fremdenwesens hervorgetan haben in ihre Schranken gewiesen. Ob das ein BfA Beamter on-a-mission ist oder ein Landesrat in NÖ.

Fakt 15: Und dann gibt es eine Liste von Dingen, die Herr Strache nicht anspricht. Den Einsatz und Willen der Asylwerber sich hier zu integrieren, die Bestrebungen der Unternehmen, die durch teils sehr aufwendige Hürden springen müssen, um einen Asylwerber überhaupt einstellen zu können, die Stimmen der Wirtschaft, die in den letzten Wochen und Monaten vermehrt auf eine Lösung im Sinne Österreichs und der Asylwerber gedrängt haben und unseren Bundespräsidenten, der sich für einen Abschiebestopp von Asylwerbern in Lehre ausgesprochen hat. Herr Strache malt das Bild der hintertückischen Asylwerber, die sich hier eine Platz im gemachten Nest erschleichen wollen, die 60.000 Österreichern den Arbeitsplatz wegnehmen. Er fordert die Rechtsstaatlichkeit aufrecht zu halten.

Bei all dem negiert er die Möglichkeiten einer vorwärtsdenkenden Gesellschaft, er denkt nicht an eine Lösung „für Österreich“, sondern „gegen Ausländer“. Und das alles schafft er in schlappen 3 Minuten und 50 Sekunden.

Ein interessanter Einblick in seine Denke!

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