RIS Datenanlyse

Ich arbeite im IT Bereich und Daten sind mein tägliches Brot. Daher war es für mich auch naheliegend die Informationen auf dem Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS) nach Asylentscheidungen anzusehen und auszuwerten.

Für Metainformationen zu den einzelnen Entscheidungen sind die Dokumente des RIS sehr gut geeignet und man kann relativ einfach die Informationen aus den individuellen Webseiten der Erkenntnisse und Beschlüsse herauslesen. Schon schwieriger wird es bei der Analyse der Sprüche selbst, da eine semantische Auswertung nicht möglich ist. Ich habe mich daher in diesen Textteilen auf sehr wenige Bereiche konzentriert und sie auch nur sehr vorsichtig verwendet.

Die Ergebnisse der Erkenntnisse sind im Bereich „Norm“ abgebildet und man kann mit wenigen Regeln den Ausgang der Verfahren daraus herauslesen. Insgesamt habe ich so über 40.000 Entscheidungen in meiner Datenbank gespeichert und sie mittels der Metainformationen wie Datum, Geschäftszahl, Entscheidungsart, Norm, Herkunftsland usw. strukturiert und analysiert.

Die Auswertungen sind interessant bis brisant.

So kann man z. Bsp. die Spruchpraxis der Richterschaft über einen gewissen Zeitraum verfolgen und sie in Kontrast zu den sich verändernden Sicherheitslagen stellen. Vor allem für Afghanistan hat sich die Situation in den vergangenen Monaten ja sehr verschlechtert. Man würde demnach eigentlich eine höhere Anerkennungsrate von subsidiären Schutz erwarten. Denn genau für solche Situationen wurde dieser Aufenthaltstitel ja geschaffen.

Folgende Grafik stammt von einer  UNHCR Präsentation zur Lage der Notwendig von internationalen Schutz für Asylwerber aus Afghanistan vom März 2018 und zeigt den Verlauf der Anschläge in Kabul auf.

Von der gleichen Präsentation  folgende Grafik über Tote und Verletzte pro Region.

So wirkt es dann zynisch, dass die Asylentscheidungen dieser veränderten Sicherheitslage nicht Rechnung tragen.

Klar ist, dass sich solche Änderungen erst in der Rechtsprechung durchsetzen müssen und dass es dabei eine gewisse Zeitverzögerung geben wird. Die beiden Grafiken machen klar, dass es sich um einen sehr beständigen Trend der Verschlechterung handelt.

Klar ist auch, dass nicht nur eine bedeutende Quelle für eine Änderung der Rechtssprechung herhalten kann. Es ist daher beruhigend zu wissen, dass sich die großen Organisationen darüber einig sind, dass sich die Lage in Afghanistan verschlimmert und auch weiterhin verschlechtern wird.

Trotz dieser bedenklichen Berichte, scheint diese Information an den Behörden vorübergegangen zu sein. Seit 2017 erleben wir freiwillige Helfer eine wesentlich härtere Gangart gegenüber Afghanen, sowohl beim BFA als auch beim BVwG. Die Zahlen meiner RIS Analyse bestätigen das.

In der profil Ausgabe vom 28.05.2018 wurden meine Ergebnisse veröffentlicht. Man vermisst in der Grafik eindeutig die Rücksichtnahme auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Die Anzahl der subsidiären Schutzgewährungen sind sogar rückläufig, aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind seit dem Frühjahr im Anstieg, mit einem ausgeprägten Knick im Dezember. Wahrscheinlich kann man diesen Anstieg im Dezember durch höchstgerichtliche Entscheidungen erklären, die im Laufe des 2. Halbjahres die Zulässigkeit der Abschiebungen nach Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif bestätigt haben. Ich möchte nicht glauben, dass der Knick lediglich durch den Regierungswechsel entstanden ist.

Was die Zahlen aber auch aufzeigen ist eine sehr großer Prozentsatz der zweitinstanzlichen Entscheidungen, die sich gegen die Bescheide des BFA stellen.

Grundlegend für meine Auswertung war folgender Gedanke: „Jede positive Entscheidung des BVwG (Asyl, subsidiärer Schutz oder humanitäres Bleiberecht) plus den Zurückweisungen an das BFA wegen mangelnder Qualität der Ermittlung o.ä., ist eine richterliche Entscheidung gegen den erstinstanzlichen Bescheid“.

Es ist mir klar, dass diese Argumentation etwas zu weit gesteckt ist, da der Zeitraum zwischen erster und zweiter Instanz ja die Wahrscheinlichkeit eines Aufenthaltstitels durch besondere Integrationbestrebungen verbessert. Für Vergleiche reicht die Auswertung aber allemal.

Besonders im Bereich des Fremdenrechts wird es immer wieder zu unterschiedlichen Interpretationen der Asylrelevanz und Gefährdung im Heimatland kommen, da sich ja die Beweislage hauptsächlich auf die Glaubwürdigkeit der Asylwerber stützen muss. Eine objektive Einstellung der Behörde ist daher eine grundlegende Voraussetzung der Verfahren. Die Textperlen der BFA Bescheide lassen allerdings einigen Zweifel aufkommen, ob den Asylwerbern auch tatsächlich die nötige Würde und Unvoreingenommenheit geboten wird.

Der Bescheid einer Behörde sollte richtig sein! Man sollte aber auch davon ausgehen können, dass die Fehlerquote in etwa für alle Länder gleich sein sollte. Die folgende profil Grafik meiner Daten zeigt ein ungewöhnliches Bild. Die Fehlerquote für Afghanen und nicht-Afghanen divergiert sehr stark.

Die Grafik liefert zwei Ergebnisse. Das BFA vergibt zu viele negative Bescheide bei Afghanen und das BVwG korrigiert diese in einer hohen Zahl. Das erste Ergebnis is besorgniserregend, das zweite beruhigend, in Summe aber eines Rechtsstaates nicht würdig.

Die Entscheidungen müssen aber auch vor dem Hintergrund des Joint-Way-Forward Deals der EU und Afghanistans gesehen werden.  Aus der Präambel des Deals geht hervor:

This JWF identifies a series of actions to be taken as a matter of urgency by the EU and the
Government of Afghanistan with the objective to establish a rapid, effective and manageable
process for a smooth, dignified and orderly return of Afghan nationals who do not fulfil the
conditions in force for entry to, presence in, or residence on the territory of the EU, and to
facilitate their reintegration in Afghanistan in a spirit of cooperation.
In their cooperation under this declaration, the EU and Afghanistan remain committed to all
their international obligations, in particular;

  • respecting the provisions of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees and its 1967 New York Protocol;
  • upholding the rights and freedoms guaranteed in the International Covenant on Civil and Political rights and the EU Charter on Fundamental Rights and the Universal Declaration on Human Rights;
  • respecting the safety, dignity and human rights of irregular migrants subject to a return and readmission procedure. 

Damit wird gleich zu Beginn klargestellt, dass ein faires Verfahren die Grundlage der Vereinbarung ist, es wird außer Frage gestellt, dass die Genfer Konventionsrechte einzuhalten sind und dass die Menschenrechte Vorrang haben. Wie das in Einklang mit einem Mahringer Gutachten, den Textperlen, der Spruchpraxis vor dem Hintergrund der Sicherheitslage und der Fehlerquote einer ersten Instanz zu sehen ist, ist fraglich.


Einige Worte zur Vorgehenseise

  • Data-Scraping ist keine exakte Methode!
  • Annahme normierter Struktur der BVwG Entscheide/Beschlüsse
  • Unklare Zeitverzögerung zwischen Entscheidungsdatum und Veröffentlichung im RIS
  • Anonymisierung erlaubt teilweise keine 100% Analyse (z. B. rechtliche Vertretung)
  • Notwendig, da genaues Zahlenmaterial nicht verfügbar
  • Gibt einen guten Eindruck über Veränderungen, Trends und erlaubt Vergleiche
  • Ausschluss von RichterInnen die sich zu mehr als 85% mit Dublin Fällen auseinandersetzen
  • Ablehnungen von Asylbeschwerden bei erstinstanzlicher sub. Schutzgewährung, Dublin Beschlüsse usw. wurden berücksichtigt.
  • Staatszugehörigkeit lt. Spruch und nicht nach RIS Text-Suche
  • Ausschluss von einigen Sonderfällen

Kommentare sind geschlossen.